Der Bundesfinanzhof (BFH) hat den Europäischen Gerichtshof (EuGH)
angerufen, damit dieser über den Vorsteuerabzug des Unternehmers bei
gemischt-genutzten Gegenständen entscheidet. Der EuGH soll klären, ob die
Ausübung des Zuordnungswahlrechts bis zum gesetzlichen Termin für die Abgabe
der Steuererklärung (aktuell: bis zum 31.7. des Folgejahres; bis einschließlich
Veranlagungszeitraum 2017 war dies der 31.5. des Folgejahres) erfolgen muss.

Hintergrund: Erwirbt ein
Unternehmer einen Gegenstand, den er sowohl unternehmerisch als auch privat
nutzt, hat er grundsätzlich ein Zuordnungswahlrecht, ob er den Gegenstand ganz
oder teilweise oder gar nicht seinem Unternehmen zuordnet. Von dieser Zuordnung
hängt der Vorsteuerabzug ab, der nur dann besteht, wenn er den Gegenstand
vollständig seinem Unternehmen zuordnet (vollständiger Vorsteuerabzug) oder
teilweise im Umfang der unternehmerischen Nutzung (anteiliger Vorsteuerabzug)
zuordnet. Diese Zuordnung erfolgt in der Regel dadurch, dass der Unternehmer
den vollständigen bzw. anteiligen Vorsteuerabzug in der Umsatzsteuererklärung
oder -anmeldung vornimmt.

Sachverhalte: Dem BFH lagen zwei
Sachverhalte vor: Im ersten Fall ging es um einen Unternehmer, der im Jahr 2015
ein Einfamilienhaus errichtete, in dem ein Arbeitszimmer entstehen sollte. Im
Bauplan war dieses Zimmer mit „Arbeiten“ bezeichnet. Die Fläche des
Arbeitszimmers betrug 17 m², während die Gesamtnutzfläche des Hauses 150 m²
ausmachte. Der Unternehmer machte die auf das Arbeitszimmer entfallenden
Vorsteuern in seiner am 28.9.2016 eingereichten Umsatzsteuer-Jahreserklärung
für 2015 geltend. Nach Ansicht des Finanzamts hätte er den Vorsteuerabzug bis
zum 31.5.2016 geltend machen müssen.

Im zweiten Fall erwarb der Kläger im Jahr 2014 eine
Photovoltaikanlage und wollte den erzeugten Strom zum Teil verkaufen. Der
Kläger machte die Vorsteuer für den unternehmerisch genutzten Teil der Anlage
erst in der am 29.2.2016 abgegebenen Umsatzsteuererklärung für 2014 geltend.
Dies sah das Finanzamt als verspätet an.

Entscheidung: Der BFH richtet in
beiden Fällen Vorabentscheidungsersuchen an den EuGH, die er wie folgt
begründet:

  • Zwar hätte der Kläger nach deutschem Recht im ersten Fall
    (Arbeitszimmer 2015) bis zum 31.5.2016 und im zweiten Fall (Photovoltaikanlage
    2014) bis zum 31.5.2015 den Vorsteuerabzug anteilig geltend machen müssen, um
    damit seine Zuordnungsentscheidung zum Unternehmen zu dokumentieren.

  • Die deutsche Rechtslage könnte jedoch dem europäischen
    Umsatzsteuerrecht widersprechen. Zum einen dürfen nach dem Grundsatz der
    Mehrwertsteuerneutralität keine zusätzlichen Anforderungen an den
    Vorsteuerabzug wie eine fristgerechte Zuordnungsentscheidung gestellt werden,
    wenn die materiellen Voraussetzungen für den Vorsteuerabzug erfüllt sind. Zum
    anderen schließt nach einer aktuellen Entscheidung des EuGH eine fehlende
    Zuordnungserklärung einen späteren Vorsteuerabzug nicht ohne Weiteres aus.

  • Zudem könnte sich aus der EuGH-Rechtsprechung eine
    grundsätzliche Vermutung für eine Zuordnung zum Unternehmensvermögen ergeben,
    wenn der Unternehmer nichts ausdrücklich zuordnet. Eine Fristversäumnis hätte
    dann keine nachteiligen Folgen, weil dann eine anteilige Zuordnung zum
    Unternehmen zu vermuten wäre.

Hinweise: Möglicherweise wird
der EuGH entscheiden, dass es künftig keine Frist mehr für die
Zuordnungsentscheidung gibt. Darauf sollte allerdings nicht vertraut werden.
Vielmehr sollten Unternehmer wie bisher fristgerecht erklären, ob sie den
gemischt-genutzten Gegenstand ganz oder anteilig dem Unternehmen zuordnen und
damit die Vorsteuer ganz oder anteilig abziehen. Die Frist hierfür ist der
31.7. des Folgejahres, weil dies der gesetzliche Termin für die Abgabe der
Umsatzsteuererklärung ist. Diese Frist gilt auch dann, wenn im konkreten
Einzelfall eine längere Frist für die Abgabe der Steuererklärung anwendbar ist,
z.B. weil ein Steuerberater die Steuererklärung erstellt.

Bei gemischt-genutzten Gebäuden ist eine vollständige Zuordnung des
Gebäudes zum Unternehmen kraft Gesetzes ausgeschlossen; möglich ist nur eine
anteilige Zuordnung im Umfang der unternehmerischen Nutzung.

Die vollständige Zuordnung eines gemischt-genutzten Gegenstands
ermöglicht zwar den vollständigen Vorsteuerabzug (Ausnahme: Gebäude, s. oben);
dafür muss dann aber die anteilige private Nutzung der Umsatzsteuer unterworfen
werden.

BFH, Beschlüsse v. 18.9.2019 – XI R 3/19 und XI R 7/19; NWB

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