Einem beherrschenden Gesellschafter-Geschäftsführer einer GmbH
fließt eine Tantieme steuerlich bereits vor der Auszahlung zu, wenn er einen
fälligen Anspruch auf die Tantieme gegen die GmbH hat und die GmbH
zahlungsfähig ist. Soll die Tantieme nach der Tantiemevereinbarung erst einen
Monat nach der Feststellung des Jahresabschlusses der GmbH fällig sein, kommt
es auch erst einen Monat nach der Feststellung des Jahresabschlusses der GmbH
zu einem steuerlichen Zufluss der Tantieme beim beherrschenden
Gesellschafter-Geschäftsführer, selbst wenn der Jahresabschluss verspätet
aufgestellt und festgestellt worden ist.
Hintergrund: Grundsätzlich
fließen einem Arbeitnehmer Einnahmen erst mit der Auszahlung in bar oder mit
der Gutschrift auf seinem Girokonto zu. Eine Ausnahme gibt es für beherrschende
Gesellschafter einer GmbH, die mehr als 50 % der Stimmrechte haben: Bei ihnen
kann ein sog. fiktiver Zufluss von Arbeitslohn angenommen werden, wenn sie eine
fällige und unbestrittene Forderung gegen ihre GmbH haben und die GmbH
zahlungsfähig ist. Denn sie haben es aufgrund ihrer Beherrschung in der Hand,
sich jederzeit den fälligen Betrag auszahlen zu lassen.
Sachverhalt: Der Kläger war mit
51 % an der A-GmbH und mit 100 % an der B-GmbH beteiligt. Er war bei beiden
Gesellschaften Geschäftsführer und sollte eine Tantieme erhalten. Nach der
Tantiemevereinbarung sollte die Tantieme einen Monat nach Feststellung des
Jahresabschlusses der jeweiligen GmbH fällig sein. Die Bilanzen der A-GmbH und
der B-GmbH wurden jeweils im Dezember 2009 festgestellt. Das Finanzamt nahm
einen fiktiven Zufluss der Tantieme beim Kläger noch im Dezember 2009 an und
erhöhte seine Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit.
Entscheidung: Der
Bundesfinanzhof (BFH) verneinte einen Zufluss im Jahr 2009 und gab der Klage
statt:
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Ein fiktiver Zufluss setzt bei einem beherrschenden
Gesellschafter einer GmbH voraus, dass er einen fälligen Anspruch gegen die
GmbH hat. Zwar wird ein Tantiemeanspruch grundsätzlich mit der Feststellung des
Jahresabschlusses fällig. Diese Fälligkeit kann aber vertraglich abbedungen
werden. -
Im Streitfall war die Fälligkeit durch die Tantiemevereinbarung
um einen Monat nach hinten verschoben worden, so dass die Tantieme jeweils erst
einen Monat nach Feststellung des Jahresabschlusses fällig werden sollte. Da
beide Jahresabschlüsse erst im Dezember 2009 festgestellt wurden, trat die
Fälligkeit der Tantieme jeweils erst im Januar 2010 ein und nicht mehr im
Streitjahr 2009. -
Aus der Feststellung der beiden Jahresabschlüsse im Dezember
2009 ergibt sich keine Fälligkeit. Denn damit würde die vertragliche
Vereinbarung zwischen dem Kläger und der A-GmbH bzw. der B-GmbH missachtet
werden, die eine Fälligkeit erst einen Monat nach der Feststellung des
jeweiligen Jahresabschlusses vorsah.
Hinweise: Unbeachtlich war im
Streitfall, dass der Jahresabschluss für 2009 verspätet aufgestellt und
festgestellt worden ist. Die verspätete Feststellung führte zu einer
Verschiebung der Fälligkeit des Anspruchs des Klägers, die steuerlich zu
beachten ist. Der BFH lässt aber offen, ob dies auch dann gilt, wenn der
Jahresabschluss zielgerichtet verspätet festgestellt wird, um die Fälligkeit
des Tantiemeanspruchs in einen anderen Veranlagungszeitraum zu verschieben.
Dies könnte im Einzelfall ein Gestaltungsmissbrauch sein; allerdings gab es im
Streitfall keine Anhaltspunkte für einen Gestaltungsmissbrauch.
Richtigerweise muss die Tantieme im Jahr 2010 versteuert werden,
selbst wenn sie erst in einem späteren Jahr ausgezahlt wird. Erfolgt die
Auszahlung der Tantieme erst ab 2011, muss die Auszahlung aber nicht noch
einmal versteuert werden.
BFH, Urteil v. 28.4.2020 – VI R 44/17; NWB