Ein Verlust aus der Aufgabe einer wesentlichen Beteiligung von
mindestens 1 % an einer GmbH ist grundsätzlich erst mit dem Abschluss der
Liquidation steuerlich zu berücksichtigen. Ein früherer Zeitpunkt kommt nur
dann in Betracht, wenn mit einer wesentlichen Änderung des bereits
feststehenden Verlustes nicht mehr zu rechnen ist. Solange die GmbH aber trotz
Eröffnung des Insolvenzverfahrens noch über freies Vermögen verfügt und die
Verwertung der zur Sicherheit übereigneten Wirtschaftsgüter noch nicht
vollständig abgeschlossen ist, bleibt es beim Abschluss der Liquidation.
Hintergrund: Der Gewinn und
Verlust aus dem Verkauf einer im Privatvermögen gehaltenen GmbH-Beteiligung von
mindestens 1 % unterliegt der Steuer und muss versteuert werden (Gewinn) bzw.
kann steuerlich abgesetzt werden (Verlust). Der Verlust unterliegt ebenso wie
ein Gewinn dem sog. Teileinkünfteverfahren und wird daher nur zu 60 %
berücksichtigt.
Streitfall: Die Klägerin erwarb
im März 2014 eine Beteiligung an der überschuldeten Z-GmbH zum Preis von 1
€. In dem Kaufvertrag verpflichtete sie sich, der Z-GmbH ein Darlehen in
Höhe von 320.000 € zu Verfügung zu stellen; als Sicherheit übereignete
die Z-GmbH der Klägerin neun Kfz im Wert von insgesamt 56.000 € sowie
ein Ersatzteillager im Wert von 40.000 €. Im Juli 2014 stellte die
Z-GmbH einen Insolvenzantrag; das Insolvenzverfahren wurde im September 2014
eröffnet. Der Insolvenzverwalter zeigte sogleich die Masseunzulänglichkeit an.
Nach dem Bericht des Insolvenzverwalters hatte die Klägerin im Mai 2014 eine
möglicherweise anfechtbare Darlehensrückzahlung in Höhe von 16.000 €
erhalten. Die zur Sicherheit übereigneten Kfz waren zum Teil veräußert worden,
und es war noch ein Betrag in Höhe von 44.000 € für die Insolvenzmasse
frei. Die Klägerin machte einen Verlust aus der Aufgabe ihrer Beteiligung im
Streitjahr 2014 in Höhe von 320.001 € geltend. Das Finanzamt erkannte
den Verlust nicht an.
Entscheidung: Das Finanzgericht
Düsseldorf (FG) wies die Klage ab:
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Ein Verlust aus der Aufgabe einer wesentlichen
GmbH-Beteiligung kann grundsätzlich erst mit dem Abschluss der
Liquidation geltend gemacht werden. Denn erst dann steht
fest, ob und in welcher Höhe der Gesellschafter mit einer Zuteilung und
Rückzahlung von Vermögen der GmbH rechnen kann. Die Liquidation war im
Streitjahr 2014 aber noch nicht abgeschlossen. -
Ausnahmsweise kann der Verlust schon zu einem früheren
Zeitpunkt steuerlich berücksichtigt werden, wenn mit einer wesentlichen
Änderung des bereits feststehenden Verlustes nicht mehr zu rechnen ist. Dies
ist z.B. der Fall, wenn die Eröffnung des Insolvenzverfahrens mangels Masse
abgelehnt wurde oder wenn die GmbH bereits im Zeitpunkt des
Auflösungsbeschlusses vermögenslos war. -
Die bloße Eröffnung des Insolvenzverfahrens genügt hingegen
noch nicht, um den Verlust bereits im Jahr der Eröffnung des
Insolvenzverfahrens zu berücksichtigen. Denn es steht aufgrund der Eröffnung
des Insolvenzverfahrens noch nicht fest, ob der Gesellschafter noch Geld
erhält. -
Die Z-GmbH war nicht vermögenslos, sondern hatte noch Vermögen
in Höhe von ca. 44.000 €. Unbeachtlich ist, dass die Schulden der GmbH
deutlich höher waren. Ferner war es nach dem Bericht des Insolvenzverwalters
denkbar, dass eine Tilgung an die Bank in Höhe von 320.000 € noch
angefochten würde. Ferner steht noch nicht fest, ob die Klägerin tatsächlich
eine Darlehensrückzahlung in Höhe von 16.000 € erhalten hat und ob diese
Rückzahlung ggf. noch vom Insolvenzverwalter angefochten wird; ferner stand die
Verwertung aller sicherungsübereigneten Kfz noch nicht fest.
Hinweise: Zwar hat die Klägerin
die Klage verloren. Dies bedeutet aber nicht, dass sie den Verlust nicht
absetzen kann. Denn aus dem Urteil folgt lediglich, dass der Verlust zu einem
späteren Zeitpunkt, nämlich nach Abschluss der Liquidation, steuerlich
berücksichtigt werden kann.
In der Praxis stellt sich oft das Problem, dass noch nicht sicher
abgesehen werden kann, in welchem Veranlagungszeitraum der Verlust aus der
Aufgabe einer GmbH-Beteiligung zu berücksichtigen ist. Hier ist es
verfahrensrechtlich sinnvoll, alle in Betracht kommenden Jahre durch einen
Einspruch gegen den jeweiligen Steuerbescheid offenzuhalten.
Quelle: FG Düsseldorf, Urteil v. 12.4.2022 – 10 K 1175/19 E;
NWB