Der Anscheinsbeweis, dass ein betriebliches Kfz auch privat genutzt
wird, kann dadurch widerlegt werden, dass der Unternehmer privat noch ein
anderes Fahrzeug besitzt, dessen Status und Gebrauchswert mit dem des
unternehmerischen Kfz vergleichbar ist. Ein älterer Mercedes Benz C 280 T
(Baujahr 1997), der privat genutzt wird, ist mit einem Fiat Doblo Easy 2.0 16V
Multijet (Baujahr 2012), der sich im Betriebsvermögen befindet, unter diesen
Gesichtspunkten vergleichbar, so dass für den Fiat keine Privatnutzung als
Entnahme angesetzt werden muss.
Hintergrund: Die Privatnutzung
eines betrieblichen Kfz wird als Entnahme versteuert, und zwar mit 1 % des
Bruttolistenpreises des Kfz pro Monat, wenn kein ordnungsgemäßes Fahrtenbuch
geführt wird. Allerdings ist zu prüfen, ob überhaupt eine Privatnutzung des Kfz
erfolgt ist. Finanzverwaltung und Rechtsprechung gehen hier von einem sog.
Anscheinsbeweis aus, d. h. grundsätzlich spricht die allgemeine Lebenserfahrung
dafür, dass ein betriebliches Fahrzeug auch privat genutzt wird. Allerdings
kann dieser Anscheinsbeweis widerlegt werden.
Sachverhalt: Die Klägerin war
eine Kommanditgesellschaft (KG), deren alleiniger Kommanditist der X war. X war
alleinstehend und hatte keine Kinder. Zum Betriebsvermögen der KG gehörte im
Jahr 2013 ein Fiat Doblo Easy 2.0 16V Multijet (Kastenwagen), der mit fünf
Sitzen ausgestattet war, aber kein sog. Werkstattwagen war. Die hinteren
Fenster waren also nicht verblendet, und der Wagen hatte auch keine Einbauten
für Werkzeuge. Der Fiat war im Jahr 2012 neu angeschafft worden; der
Bruttolistenpreis betrug 18.500 €. X besaß privat einen Mercedes Benz C
280 T mit Erstzulassung Juli 1997, den er im Jahr 2004 erworben hatte. Der Wert
des Mercedes hatte im Jahr 1997 umgerechnet ca. 45.000 € betragen. Das
Finanzamt ging von einer Privatnutzung des Fiat aus und setzte als Entnahme
2.220 € an, nämlich 1 % von 18.500 € x 12 Monate. Hiergegen
wehrte sich die Klägerin.
Entscheidung: Das
Niedersächsische Finanzgericht (FG) gab der Klage statt:
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Eine Privatnutzung des Fiat im Jahr 2013 stand nicht fest. Zwar
spricht der Anscheinsbeweis dafür, dass ein betriebliches Kfz auch privat
genutzt wird. Dieser Anscheinsbeweis gilt im Grundsatz auch für einen
Kastenwagen wie hier für den Fiat Doblo, wenn dieser nicht als Werkstattwagen
ausgebaut ist, sondern als Fünfsitzer. -
Der Anscheinsbeweis kann dadurch erschüttert werden, dass dem
Steuerpflichtigen für private Fahrten ein nach Status und Gebrauchswert
vergleichbares Fahrzeug zur Verfügung steht. Es gibt dann keinen
nachvollziehbaren Grund, das betriebliche Kfz für Privatfahrten zu nutzen.
Selbst wenn das private Fahrzeug mit dem betrieblichen Fahrzeug nicht
vergleichbar ist, kann der Anscheinsbeweis umso leichter erschüttert werden, je
geringer der Unterschied zwischen den beiden Fahrzeugen
ist. -
Der Mercedes Benz C 280 war vom Status und Gebrauchswert her
mit dem Fiat Doblo vergleichbar.-
Unter dem Status ist das „Prestige“ zu
verstehen, das bei einem Mercedes Benz höher ist als bei einem Fiat. Hierfür
spricht auch der hohe Neuwagenpreis des Mercedes, der im Jahr 1997 ca. 45.000
€ betrug, während der Fiat lediglich ca. 20.000 € kostete. -
Der Gebrauchswert richtet sich nach Kriterien wie
Motorleistung, Hubraum, Höchstgeschwindigkeit und Ausstattung. Der Motor des
Mercedes war deutlich leistungsstärker als der des Fiat. Das Raumangebot war
gleichwertig, da es sich bei beiden Kfz um Fünfsitzer handelte. Nur beim
Kofferraumvolumen lag der Fiat vor dem Mercedes. Die sonstige Ausstattung war
beim Mercedes höherwertiger, jedoch älter. Unbeachtlich ist, dass der Mercedes
aufgrund seines Alters reparaturanfälliger war. Denn der Anscheinsbeweis ist
umso leichter erschüttert, je geringer die Unterschiede zwischen den beiden
Fahrzeugen ausfallen.
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Hinweise: Der Anscheinsbeweis
gilt nicht bei solchen Kfz, die typischerweise nur betrieblich genutzt werden,
z. B. Werkstattwagen (Kastenwagen) mit Verblendung der hinteren Fenster und
Einbauten, Lastwagen, Zugmaschinen.
Von der Entnahme aufgrund der Privatnutzung eines betrieblichen Kfz
zu unterscheiden ist die Überlassung eines Dienstwagens an einen Arbeitnehmer
auch zur privaten Nutzung; beim Arbeitnehmer scheidet der Ansatz eines
geldwerten Vorteils aus, wenn ihm die Privatnutzung ausdrücklich untersagt ist.
Niedersächsisches FG, Urteil v. 19.2.2020 – 9 K 104/19;
NWB