Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hält eine Vorsteuervergütung
auch dann für möglich, wenn die Rechnung formell fehlerhaft ist. Entscheidend
ist, dass die materiellen Voraussetzungen des Vorsteuerabzugs erfüllt sind und
dass die Rechnung nicht so mangelhaft ist, dass die materiellen Voraussetzungen
nicht mehr überprüft werden können.
Hintergrund: Bezieht ein
Unternehmer Leistungen im Ausland, kann er einen Vorsteuervergütungsantrag
stellen. Die Vorsteuervergütung setzt u.a. voraus, dass der Unternehmer
ordnungsgemäße Rechnungen vorlegen kann.
Sachverhalt: Die Klägerin war
eine französische Unternehmerin, die in Rumänien Geräte einkaufte. Die
rumänische Verkäuferin stellte ihr hierfür Umsatzsteuer in Rechnung. Die
Klägerin beantragte bei der rumänischen Finanzverwaltung die
Vorsteuervergütung, die unter Hinweis auf die fehlende Ordnungsmäßigkeit der
Rechnungen abgelehnt wurde. Die rumänische Verkäuferin berichtigte ihre
Rechnungen, und die Klägerin stellte einen erneuten Vorsteuervergütungsantrag,
der keinen Erfolg hatte, weil der Antrag bereits einmal abgelehnt worden war.
Das rumänische Finanzgericht rief den EuGH an.
Entscheidung: Der EuGH hielt
eine Vorsteuervergütung für möglich:
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Die Vorsteuervergütung setzt vor allem voraus, dass die
materiellen Voraussetzungen für den Vorsteuerabzug erfüllt sind und eine
Leistung von einem Unternehmer an einen Unternehmer für dessen Unternehmen
erbracht worden ist. Hingegen ist nicht entscheidend, dass die Rechnung alle
formellen Anforderungen erfüllt. -
Eine formell nicht ordnungsgemäße Rechnung berechtigt erst
dann nicht mehr zum Vorsteuerabzug, wenn sie so mangelhaft ist, dass das
Finanzamt die materiellen Voraussetzungen nicht mehr überprüfen
kann. -
Der Vorsteuerabzug muss in dem Voranmeldungszeitraum geltend
gemacht werden, in dem der Unternehmer erstmals in den Besitz einer Rechnung
gelangt ist. Es ist also nicht möglich, dass der Unternehmer den Vorsteuerabzug
erst nach Berichtigung der Rechnung geltend macht.
Hinweise: Die abschließende
Entscheidung muss nun das rumänische Finanzgericht treffen. Die Entscheidung
des EuGH betrifft zwar die Vorsteuervergütung und nicht den allgemeinen
Vorsteuerabzug; jedoch sind die formellen Voraussetzungen für einen
Vorsteuervergütungsanspruch ebenfalls sehr hoch, so dass aus der
EuGH-Entscheidung positive Rückschlüsse für einen Vorsteuerabzug aus einer
formell nicht ordnungsgemäßen Rechnung gezogen werden können.
Der EuGH definiert leider nicht die konkrete Grenze, ab der eine
Rechnung so mangelhaft ist, dass sie nicht mehr zur Überprüfung der materiellen
Voraussetzungen verwendet werden kann. Hier muss die künftige Rechtsprechung
des EuGH, aber auch die des Bundesfinanzhofs, im Auge behalten werden.
Tendenziell ist der EuGH großzügiger als die deutsche Finanzverwaltung und
„verzeiht“ formelle Fehler eher, wenn feststeht, dass es sich um
die Leistung eines Unternehmers an einen anderen Unternehmer für dessen
Unternehmer handelt.
EuGH, Urteil v. 21.10.2021 – Rs. C-80/20 „Wilo
Salmson“; NWB