Kommt es bei einer GmbH zu einer sog. schädlichen
Anteilsübertragung von mehr als 50 %, die an sich zu einem Verlustuntergang
führt, kann die GmbH gleichwohl einen Verlust, der im Jahr der
Anteilsübertragung entstanden ist, in das Vorjahr, in dem sie einen Gewinn
erzielt hat, zurücktragen und mit dem Gewinn verrechnen. Auf diese Weise kommt
es nicht zu einem Verlustuntergang.

Hintergrund: Werden mehr als 50
% der Anteile einer GmbH innerhalb von fünf Jahren an einen Erwerber verkauft,
gehen die bislang nicht genutzten Verluste der GmbH nach dem Gesetz unter und
können mit künftigen Gewinnen nicht mehr verrechnet werden. Beim
Bundesverfassungsgericht ist allerdings noch ein Verfahren zur
Verfassungsmäßigkeit dieser gesetzlichen Regelung anhängig.

Sachverhalt: Die Klägerin hatte
am 17.10.2018 Anteile im Nennwert von 115.000 € an der E-GmbH erworben,
deren Stammkapital 500.000 € betrug; allerdings hielt die E-GmbH die
übrigen Anteile selbst, so dass die Klägerin nunmehr alleinige Gesellschafterin
der E-GmbH wurde. Am 29.11.2018 wurde die E-GmbH mit Rückwirkung zum 30.9.2018
auf die Klägerin verschmolzen. Die E-GmbH hatte im Jahr 2017 einen Gewinn von
ca. 1,7 Mio. € erzielt. Im Jahr 2018, und zwar vom 1.1.2018 bis zum
Verschmelzungsstichtag am 30.9.2018, erzielte die E-GmbH einen Verlust von
14.058 €. Die Klägerin, die aufgrund der Verschmelzung
Rechtsnachfolgerin der E-GmbH geworden war, beantragte eine Änderung des
Körperschaftsteuerbescheids der E-GmbH für 2017 und machte einen
Verlustrücktrag aus dem Jahr 2018 in Höhe von 14.058 € in das Streitjahr
2017 geltend. Dies lehnte das Finanzamt unter Hinweis auf die schädliche
Anteilsübertragung vom 17.10.2018 ab.

Entscheidung: Der
Bundesfinanzhof (BFH) gab der Klage statt:

  • Der Anteilserwerb am 17.10.2018 in Höhe von 115.000 €
    des Nennwerts der Anteile führte an sich zu einem Verlustuntergang, da die
    Klägerin nunmehr alleinige Gesellschafterin geworden war. Zwar hatte sie nur
    115.000 € des Stammkapitals von 500.000 € erworben; jedoch hielt
    die E-GmbH die verbleibenden Anteile im Umfang von 385.000 € selbst, so
    dass es keine weiteren Gesellschafter gab und damit von einem vollständigen
    Anteilseignerwechsel zu 100 % auszugehen war.

  • Dennoch ist es nicht zu einem
    Verlustuntergang gekommen
    ; denn der im
    Anteilsübertragungsjahr entstandene Verlust aus dem Zeitraum vom 1.1.2018 bis
    30.9.2018 konnte in das Vorjahr 2017 zurückgetragen werden, in dem ein Gewinn
    entstanden war.

  • Dieser Verlustrücktrag wird durch die
    gesetzliche Regelung über den schädlichen Anteilserwerb nicht
    ausgeschlossen.
    Die gesetzliche Regelung soll nämlich nur
    verhindern, dass ein Verlust, der vor der Anteilsübertragung erwirtschaftet
    worden ist, von den neuen Anteilseignern genutzt wird. Ein Verlust, der vor der
    schädlichen Anteilsübertragung erzielt worden ist, kann aber durchaus noch mit
    einem Gewinn, der ebenfalls vor der schädlichen Anteilsübertragung
    erwirtschaftet worden ist, im Wege des Verlustrücktrags verrechnet werden.

Hinweis: Mit seiner Entscheidung
stellt sich der BFH erneut gegen die Auffassung der Finanzverwaltung, der er
bereits in einem vergleichbaren Fall widersprochen hatte. In dem damaligen Fall
war die Ausgangslage umgekehrt: Die GmbH hatte im Jahr der Anteilsübertragung
vom 1.1. bis zum Tag der Anteilsübertragung einen Gewinn erzielt, verfügte aber
über einen Verlustvortrag aus den Vorjahren. Der BFH hatte es für zulässig
erachtet, dass der Gewinn noch mit dem Verlustvortrag verrechnet wird, so dass
insoweit der Verlustvortrag nicht aufgrund der Anteilsübertragung unterging.

Quelle: BFH, Urteil vom 16.7.2025 – I R 1/23;
NWB

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