Verkauft ein niederländisches Unternehmen Waren an deutsche
		Privatkunden über die in Luxemburg ansässige Amazon-Servicegesellschaft und
		werden die Waren über Logistikzentren von Amazon geleitet und von dort aus an
		die privaten Kunden in Deutschland ausgeliefert, ist Leistungsempfänger der
		deutsche Endkunde, nicht aber Amazon. Daher liegt keine steuerfreie
		innergemeinschaftliche Lieferung zwischen dem niederländischen Verkäufer und
		der luxemburgischen Amazon vor. 
Hintergrund: Unter einem
		innergemeinschaftlichen Verbringen versteht man das sog. rechtsgeschäftslose
		Verbringen von Waren zwischen zwei EU-Staaten, z. B. eine Warenbewegung von
		einem niederländischen Unternehmen in seine deutsche Betriebsstätte. Das
		innergemeinschaftliche Verbringen wird in dem Land, wo die Warenbewegung endet,
		als innergemeinschaftlicher Erwerb besteuert, also wie ein Verkauf behandelt.
		Zugleich kann die Umsatzsteuer aber auch als Vorsteuer geltend gemacht werden.
		Wird die Ware von einem deutschen Unternehmen in eine niederländische
		Betriebsstätte des deutschen Unternehmens verbracht, wird die Warenbewegung in
		Deutschland als entgeltliche Lieferung behandelt. Der Ort der Lieferung ist
		dort, wo die Warenbewegung beginnt, also in Deutschland; allerdings ist die
		Lieferung als innergemeinschaftliche Lieferung umsatzsteuerfrei.
Sachverhalt: Die Klägerin war
		eine niederländische Kapitalgesellschaft, die Nahrungsergänzungsmittel an
		Privatkunden verkaufte. Hierzu beauftragte sie die in Luxemburg ansässige
		Amazon-Servicegesellschaft, die den Versand und das Inkasso übernahm. Die
		Klägerin bot die Waren bei Amazon über das Modell „Verkauf durch die
		Klägerin, Versand durch Amazon“ an. Hierzu versandte die Klägerin ihre
		Waren an Logistikzentren von Amazon in Deutschland oder – gelegentlich
		– an Logistikzentren von Amazon in anderen EU-Staaten. Von dort wurden
		die Waren an die deutschen Endverbraucher versandt. Das Finanzamt ging von
		einer Steuerpflicht der Warenverkäufe in Deutschland aus
Entscheidung: Der
		Bundesfinanzhof (BFH) wies die hiergegen gerichtete Klage ab: 
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Leistungsempfänger der Nahrungsergänzungsmittel waren die
deutschen Endverbraucher, da der Kaufvertrag zwischen der Klägerin und den
Endverbrauchern zustande kam. Denn die Klägerin trat als Verkäuferin auf,
während Amazon lediglich den Versand und das Inkasso übernommen hatte. - 
Das Verbringen der Ware aus den Niederlanden in ein deutsches
Logistikzentrum von Amazon war ein innergemeinschaftliches Verbringen, das zwar
in den Niederlanden steuerfrei war. In Deutschland wurde dieses Verbringen aber
wie ein innergemeinschaftlicher Erwerb behandelt, der Umsatzsteuer auslöste und
zugleich einen Vorsteuerabzug ermöglichte. Soweit die Klägerin die Waren
ausnahmsweise in ein Logistikzentraum eines anderen EU-Staats verbrachte, war
dieses Verbringen ebenfalls in Deutschland steuerpflichtig, da es sich bei den
Endverbrauchern um Privatpersonen handelte. 
Hinweise: Zwar verkaufte die in
		Luxemburg ansässige Amazon-Servicegesellschaft keine Waren, aber sie erbrachte
		elektronische Dienstleistungen in Gestalt des Versands und Inkassos. Die
		hierfür von der Klägerin gezahlten Gebühren unterlagen der Umsatzsteuer, die
		die Klägerin als Leistungsempfängerin schuldete (sog. Reverse-Charge-Verfahren,
		bei dem ausnahmsweise der Leistungsempfänger die Umsatzsteuer schuldet). Der
		Ort dieser elektronischen Dienstleistungen lag aber in den Niederlanden, so
		dass die Klägerin die Umsatzsteuer in den Niederlanden schuldete. 
Zwar hat der BFH „nur“ über eine sog.
		Nichtzulassungsbeschwerde entschieden und nicht über eine Revision. Dennoch hat
		der BFH die Entscheidung der Vorinstanz ausdrücklich für zutreffend erklärt.
		Außerdem hat das Gericht darauf hingewiesen, dass seit dem 1.1.2019 Betreiber
		von Internet-Plattformen wie z. B. eBay oder Amazon für die Umsatzsteuer der
		Verkäufer, die die Plattform nutzen, haften können. Diese Haftung wäre
		überflüssig, wenn der Betreiber der Plattform als Verkäufer der Waren angesehen
		werden würde. 
BFH, Beschluss v. 29.4.2020 – XI B 113/19; NWB
					