Zieht der Gesellschafter einer
niederländischen Kapitalgesellschaft von den Niederlanden nach Deutschland um
und verkauft er hier seine Beteiligung, so wird der Veräußerungsgewinn nur dann
um die in den Niederlanden bis zum Umzug entstandene Wertsteigerung gekürzt,
wenn die Niederlande die bis zum Umzug entstandene Wertsteigerung auch
tatsächlich besteuern. Wird in den Niederlanden die dortige Besteuerung
versäumt, ist der gesamte Veräußerungsgewinn in Deutschland zu besteuern.
Hintergrund: Der Gewinn
aus der Veräußerung einer Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft ist in
Deutschland steuerpflichtig und wird, wenn die Beteiligung mindestens 1 %
betrug, als gewerbliche Einkünfte behandelt, die zu einem Anteil von 60 %
steuerpflichtig sind (sog. Teileinkünfteverfahren). Ist der Veräußerer während
des Bestehens seiner Beteiligung nach Deutschland gezogen und dadurch
unbeschränkt steuerpflichtig geworden, kann er nachweisen, dass die vor seinem
Umzug im Ausland entstandene Wertsteigerung im Ausland einer sog.
Wegzugsbesteuerung unterlegen hat. In diesem Fall wird die im Ausland
entstandene Wertsteigerung in Deutschland als Anschaffungskosten behandelt und
damit nicht besteuert; in Deutschland zu versteuern ist dann nur noch die in
Deutschland entstandene Wertsteigerung.
Sachverhalt: Der Kläger
lebte bis Anfang 2006 in den Niederlanden und war dort auch steuerpflichtig. Er
war seit 1998 alleiniger Gesellschafter einer niederländischen
Kapitalgesellschaft (B.V.). Nach seinem Umzug nach Deutschland Anfang 2006
verkaufte er die Beteiligung am 4.5.2016 für einen Preis von ca. 1,4 Mio.
€; bei seinem Umzug nach Deutschland belief sich der Wert der
Beteiligung auf 1,1 Mio. €. Zwar gibt es in den Niederlanden eine sog.
Wegzugsbesteuerung, die bei einem Wegzug aus der dortigen Steuerpflicht greift;
im Streitfall hatte das niederländische Finanzamt aber die Wegzugbesteuerung
versäumt, bestätigte dem Kläger dies sogar und teilte ihm mit, dass der Wert
der Beteiligung im Zeitpunkt des Wegzugs 1,1 Mio. € betragen habe. Das
deutsche Finanzamt besteuerte den gesamten Gewinn von 1,3 Mio. € (1,4
Mio. € Erlös abzüglich Anschaffungskosten von 100.000 €) nach dem
Teileinkünfteverfahren mit einem Anteil von 60 %. Der Kläger war der
Auffassung, dass die in den Niederlanden entstandene Wertsteigerung von 1,1
Mio. € in Deutschland nicht besteuert werden dürfe.
Entscheidung: Der
Bundesfinanzhof (BFH) wies die Klage ab:
-
Der Kläger hat in Deutschland
aus dem Verkauf seiner Beteiligung an der B.V. einen Gewinn von 1,3 Mio.
€ erzielt, der mit einem Anteil von 60 % in Deutschland steuerpflichtig
ist. -
Zwar könnte der Gewinn um die
in den Niederlanden entstandene Wertsteigerung gemindert werden, indem der Wert
der Beteiligung im Zeitpunkt des Umzugs in Höhe von 1,1 Mio. als
Anschaffungskosten berücksichtigt wird. Die Niederlande haben eine
entsprechende Wegzugsbesteuerung, die zur Minderung des Veräußerungsgewinns in
Deutschland führen könnte. -
Jedoch hat die in den
Niederlanden entstandene Wertsteigerung in den Niederlanden nicht einer Steuer
„unterlegen“, wie es das Gesetz verlangt. Denn die Niederlande
haben weder eine Steuer berechnet noch festgesetzt. Es genügt nicht, dass sie
den Wert der Beteiligung in einem Schreiben lediglich informatorisch
festgehalten haben.
Hinweise: Der BFH weist
darauf hin, dass seine Entscheidung mit dem Doppelbesteuerungsabkommen, das
zwischen Deutschland und den Niederlanden geschlossen worden ist, im Einklang
steht. Denn nach dem Doppelbesteuerungsabkommen steht Deutschland das Recht zur
Besteuerung des Veräußerungsgewinns zu, wenn die Niederlande als bisheriger
Ansässigkeitsstaat von ihrem Recht zur Besteuerung des dort entstandenen
Wertzuwachses keinen Gebrauch gemacht haben.
Hätte der Kläger Erfolg gehabt,
wäre der ganz überwiegende Teil des Veräußerungsgewinns weder in Deutschland
noch in den Niederlanden besteuert worden.
BFH, Urteil vom 26.10.2021 –
IX R 13/20; NWB