Stellt der Steuerpflichtige wenige Tage vor Ablauf der
Festsetzungsfrist einen Antrag auf Festsetzung der betrieblichen Steuern und
Verlustvorträge, ohne die entsprechenden Steuererklärungen beizufügen, hemmt
dieser Antrag nicht den Ablauf der Verjährungsfrist. Für eine Ablaufhemmung,
die das Ende der Festsetzungsfrist hinausschiebt, ist erforderlich, dass der
Steuerpflichtige eine substantiierte Schätzung der Einkünfte bzw. Umsätze
vornimmt und dem Antrag beifügt.

Hintergrund: Grundsätzlich
beträgt die Festsetzungsfrist vier Jahre. Sie beginnt aber erst mit Ablauf des
Jahres, in dem die Steuererklärung abgegeben worden ist, spätestens nach drei
Jahren. In bestimmten Fällen tritt eine Ablaufhemmung ein, so dass sich die
Festsetzungsfrist verlängert. Wird z.B. vor Ablauf der Festsetzungsfrist ein
Antrag auf Steuerfestsetzung gestellt, läuft die Festsetzungsfrist nicht ab,
bevor über diesen Antrag unanfechtbar entschieden ist.

Streitfall: Der Kläger war seit
dem 1.4.2010 Insolvenzverwalter über das Vermögen der X-GmbH. Für das Jahr 2008
hatte die X-GmbH keine Steuererklärungen eingereicht. Am 18.12.2015, kurz vor
Ablauf der Festsetzungsfrist, beantragte der Kläger die Festsetzung der
Umsatzsteuer und Körperschaftsteuer für 2008 mit jeweils 0 € und die
Feststellung der Verlustvorträge zum 31.12.2008 auf jeweils 1 Mio. €.
Steuererklärungen waren dem Anschreiben nicht beigefügt, sondern wurden erst im
November 2016 eingereicht. Das Finanzamt lehnte die Steuerfestsetzungen und
Feststellungen der Verlustvorträge mit der Begründung ab, am 31.12.2015 sei
Verjährung für 2008 eingetreten.

Entscheidung: Der
Bundesfinanzhof (BFH) verneint eine Ablaufhemmung aufgrund eines Antrags auf
Steuerfestsetzung und hat die Klage abgewiesen:

  • Das Schreiben vom 18.12.2015 stellte keinen ablaufhemmenden
    Antrag auf Steuerfestsetzung dar. Ein ablaufhemmender Antrag liegt nur dann
    vor, wenn sich aus dem Schreiben zweifelsfrei ergibt, inwieweit eine
    Steuerfestsetzung begehrt wird.

  • Aus dem Antrag muss sich das vom Steuerpflichtigen verfolgte
    Begehren zumindest in groben Zügen ergeben. Es genügt nicht, dass sich aus dem
    Antrag lediglich die festzusetzende Steuer oder der festzustellende
    Verlustvortrag ergibt. Der Steuerpflichtige muss vielmehr auch Angaben zu den
    Einkünften machen. Ansonsten würde ein Steuerpflichtiger, der seine
    Steuererklärung nicht bis zum Ablauf der Festsetzungsfrist abgibt, sondern
    lediglich einen Antrag auf Steuerfestsetzung stellt, gegenüber einem
    Steuerpflichtigen, der seine Erklärungspflicht erfüllt, bessergestellt werden.

  • Der Kläger hatte lediglich die festzusetzende Steuer und die
    Höhe der festzustellenden Verlustvorträge angegeben, aber keine Angaben zu den
    Besteuerungsgrundlagen, insbesondere den Einkünften, gemacht. Der Kläger hätte
    insoweit eine eigene substantiierte Schätzung vornehmen müssen, indem er auf
    die ihm zugänglichen Erkenntnisquellen zurückgreift.

Hinweise: Auch eine weitere
Ablaufhemmung, die bei Insolvenzverfahren zu beachten ist, griff im Streitfall
nicht.

Allein die Abgabe einer gesetzlich vorgeschriebenen Steuererklärung
stellt keinen ablaufhemmenden Antrag dar, weil der Steuerpflichtige mit der
Abgabe der gesetzlich vorgeschriebenen Steuererklärung nur seiner Mitwirkungs-
und Erklärungspflicht nachkommt. Der Steuerpflichtige muss zusätzlich also noch
einen ausdrücklichen Antrag auf Steuerfestsetzung stellen, und zwar vor Ablauf
der Festsetzungsfrist.

Das Urteil macht deutlich, dass kurz vor Eintritt der
Festsetzungsverjährung Handlungsbedarf besteht, wenn eine gesetzlich
vorgeschriebene Steuererklärung bislang nicht abgegeben worden ist und eine
Steuererstattung erwartet wird: Entweder wird die Steuererklärung noch vor
Ablauf der Festsetzungsfrist eingereicht und zusätzlich ein ausdrücklicher
Antrag auf Steuerfestsetzung gestellt. Oder es wird nur ein ausdrücklicher
Antrag auf Steuerfestsetzung gestellt, in dem die Besteuerungsgrundlagen, d.h.
Einkünfte, substantiiert dargelegt werden, z.B. anhand der bereits
fertiggestellten Bilanz; hier besteht allerdings das Risiko, dass die
Substantiierung zu „oberflächlich“ ausfällt und daher nicht
konkret genug ist.

BFH, Urteil vom 23.9.2020 – XI R 1/19; NWB

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