Ein Unternehmer, der eine Photovoltaikanlage errichten lässt, muss
hierfür eine Bauabzugsteuer in Höhe von 15 % abführen, wenn der leistende
Bauunternehmer keine Freistellungsbescheinigung vorlegt. Dies gilt auch dann,
wenn der leistende Unternehmer in Deutschland gar nicht steuerpflichtig ist.
Hintergrund: Wenn ein
Unternehmer eine Bauleistung in Anspruch nimmt, muss er eine Bauabzugsteuer von
15 % auf den Bruttobetrag einbehalten und an das Finanzamt abführen. Der
leistende Unternehmer kann dies dadurch vermeiden, dass er beim Finanzamt eine
sog. Freistellungsbescheinigung beantragt.
Sachverhalt: Die Klägerin
beauftragte eine spanische Gesellschaft A-S.A. mit der Errichtung einer
Photovoltaikanlage auf freiem Boden, sog. Freiland-Photovoltaikanlage. Der
Auftrag umfasste sowohl die Planung der Anlage als auch deren Errichtung
einschließlich der Aufstellung der Trafo-Stationen. Die A-S.A. verfügte nicht
über eine Freistellungsbescheinigung. Das Finanzamt verlangte von der Klägerin
eine Bauabzugsteuer in Höhe von 15 % der an die A-S.A. geleisteten
Bruttozahlungen.
Entscheidung: Der
Bundesfinanzhof (BFH) wies die hiergegen gerichtete Klage ab:
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Die Voraussetzungen für die Erhebung der Bauabzugsteuer waren
erfüllt, da die A-S.A. an die Klägerin eine Bauleistung erbrachte. Zu den
Bauleistungen gehören insbesondere Leistungen zur Herstellung und Reparatur von
Bauwerken. -
• Eine Photovoltaikanlage, die auf dem Boden errichtet
wird, ist ein Bauwerk. Der Begriff des Bauwerks ist im Rahmen der
Bauabzugsteuer weit auszulegen, da die Bauabzugsteuer illegale Beschäftigung
bekämpfen soll. Der Begriff des Bauwerkes umfasst daher nicht nur Gebäude und
Scheinbestandteile sowie Betriebsvorrichtungen, sondern auch technische
Anlagen, wenn sie – wie bei Photovoltaikanlagen – mit der Erde fest
verbunden sind und auf Pfählen errichtet werden. Unbeachtlich ist, ob die
Trafo-Stationen nur auf dem Boden ruhen oder mit diesem fest verbunden sind;
denn die Trafo-Stationen bilden mit der restlichen Photovoltaikanlage eine
einheitliche Anlage. -
Die Errichtung der Photovoltaikanlage stellt auch eine
Bauleistung dar. Der Begriff der Bauleistung
ist ebenso wie der Begriff des Bauwerkes im Rahmen der Bauabzugsteuer
weit auszulegen, damit die illegale
Beschäftigung bekämpft werden kann. In verschiedenen Vorschriften wird die
Installation von Freiland-Photovoltaikanlagen als Bauleistung erwähnt. -
Unerheblich ist, ob die A-S.A. in Deutschland steuerpflichtige
Einkünfte erzielt. Die Bauabzugsteuer soll nicht mit einer Prüfung der
Steuerpflicht des leistenden Bauunternehmers verkompliziert werden. Sofern sie
nicht steuerpflichtig ist, kann ihr die Bauabzugsteuer, die von der Klägerin
abgeführt wird, vom Finanzamt erstattet werden. -
Die Bemessungsgrundlage für die Bauabzugsteuer richtet sich
nach dem Entgelt zuzüglich der Umsatzsteuer. Die Umsatzsteuer gehört auch dann
zur Bemessungsgrundlage, wenn sie nach dem sog. Reverse-Charge-Verfahren vom
Leistungsempfänger, also der Klägerin, getragen und abgeführt wird.
Hinweise: Der BFH weitet den
Anwendungsbereich der Bauabzugsteuer aus und weicht von anderen Rechtsgebieten
wie der Umsatzsteuer oder dem Zivilrecht ab, wo der Begriff des Bauwerkes
deutlich enger interpretiert wird. Der Grund für die weite Auslegung liegt in
der gesetzgeberischen Absicht, die illegale Beschäftigung im Baubereich
einzudämmen. Aus diesem Grund muss der Leistungsempfänger, wenn er Unternehmer
ist, 15 % vom Bruttorechnungsbetrag einbehalten und an das Finanzamt abführen.
Unterlässt er dies, kann das Finanzamt die Steuer von ihm nachfordern bzw. ihn
dafür durch Haftungsbescheid in Anspruch nehmen. Soll die Bauabzugsteuer
vermieden werden, muss der leistende Bauunternehmer dem Leistungsempfänger eine
Freistellungsbescheinigung vorlegen.
Der BFH hält die Regelung über die Bauabzugsteuer für
verfassungsgemäß und europarechtskonform.
BFH, Urteil v. 7.11.2019 – I R 46/17; NWB