Die unentgeltliche Übertragung eines Grundstücks innerhalb der
zehnjährigen Spekulationsfrist auf die eigenen Kinder, die es anschließend
sogleich mit Gewinn an den vom Elternteil ausgesuchten Erwerber verkaufen, ist
kein Gestaltungsmissbrauch. Daher muss das Elternteil keinen Spekulationsgewinn
versteuern, sondern nur die Kinder, denen die Anschaffung durch das Elternteil
zugerechnet wird. Hierdurch kann es zu einer erheblichen Steuerersparnis
kommen, wenn der Steuersatz der Kinder deutlich niedriger ist als der des
Elternteils.
Hintergrund: Der Verkauf eines
Grundstücks des Privatvermögens innerhalb von zehn Jahren nach Anschaffung mit
Gewinn führt zu einem steuerpflichtigen Spekulationsgewinn. Erhält ein
Steuerpflichtiger das Grundstück unentgeltlich, z.B. durch Schenkung, wird ihm
der entgeltliche Erwerb durch den Rechtsvorgänger (Schenker) zugerechnet.
Sachverhalt: Die Klägerin kaufte
im Jahr 2011 ein Grundstück. Im Jahr 2012 schenkte sie ihren beiden
volljährigen Kindern jeweils das hälftige Miteigentum an dem Grundstück,
nachdem sie einen Käufer für das Grundstück gesucht und die
Verkaufsverhandlungen geführt hatte. Noch am Tag der Schenkung verkauften ihre
Kinder das Grundstück an den von ihrer Mutter, der Klägerin, ausgesuchten
Käufer und erzielten nach Abzug des von ihrer Mutter im Jahr 2011 gezahlten
Kaufpreises einen steuerpflichtigen Gewinn von ca. 97.500 €. Das
Finanzamt bejahte einen Gestaltungsmissbrauch und rechnete den Gewinn der
Klägerin als Spekulationsgewinn zu. Hiergegen wehrte sich die Klägerin.
Entscheidung: Der
Bundesfinanzhof (BFH) gab der Klage statt:
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Die Klägerin hat keinen Spekulationsgewinn erzielt, da sie das
Grundstück nicht verkauft hat. Ihre Schenkung an ihre beiden Kinder löst keinen
Spekulationsgewinn aus, da ein Spekulationsgewinn einen Verkauf voraussetzt. -
Die unentgeltliche Übertragung des Grundstücks an ihre beiden
Kinder vor dem Verkauf durch die Kinder stellt keinen steuerlichen
Gestaltungsmissbrauch dar. Ein steuerlicher Gestaltungsmissbrauch kann nicht
angenommen werden, wenn die Gestaltung vom Gesetzgeber bereits gesehen worden
ist und er in einem Gesetz hierauf reagiert hat. -
Eine solche Reaktion des Gesetzgebers findet sich im
Einkommensteuergesetz. Denn bei einer unentgeltlichen Übertragung des
Grundstücks wird dem neuen Eigentümer (sog. Einzelrechtsnachfolger) der
entgeltliche Erwerb durch den Rechtsvorgänger (Schenker) zugerechnet. Auf diese
Weise muss der Einzelrechtsnachfolger einen Spekulationsgewinn versteuern, wenn
er das Grundstück innerhalb von zehn Jahren nach dem Kauf durch den
Rechtsvorgänger verkauft; denn der Beschenkte gilt nun als entgeltlicher
Erwerber. Gäbe es diese gesetzliche Regelung nicht, würde der
Einzelrechtsnachfolger keinen Spekulationsgewinn erzielen, weil ein
Spekulationsgewinn einen entgeltlichen Erwerb (Kauf) und eine entgeltliche
Übertragung (Verkauf) voraussetzt. -
Der Gesetzgeber wollte also, dass bei einer Schenkung eines
Grundstücks und bei einem Verkauf dieses Grundstücks durch den Beschenkten
innerhalb von zehn Jahren nach Erwerb durch den Schenker der Spekulationsgewinn
beim Beschenkten entsteht und versteuert werden muss. Der Spekulationsgewinn
kann daher nicht der Klägerin als Schenkerin zugerechnet werden.
Hinweis:: Unbeachtlich war, dass
die Klägerin die Verkaufsverhandlungen geführt hatte. Denn die volljährigen
Kinder der Klägerin waren nicht verpflichtet, an den von der Klägerin
ausgesuchten Käufer zu verkaufen. Auch waren sie nicht verpflichtet, den
Verkaufserlös an die Klägerin abzuführen.
Im Ergebnis müssen die Kinder zwar einen jeweils hälftigen
Spekulationsgewinn versteuern; ihr Steuersatz war aber deutlich niedriger als
der der Klägerin, so dass es insgesamt zu einer Steuerersparnis von ca. 14.000
€ kam. Außerdem kann die Schenkung des Grundstücks an die Kinder
Schenkungsteuer auslösen; allerdings greift hier ein Freibetrag von 500.000
€ pro Kind, der für Schenkungen innerhalb eines Zehnjahreszeitraums
gilt.
BFH, Urteil v. 23.4.2021 – IX R 8/20; NWB