Der Bundesfinanzhof (BFH) hat ein Vorabentscheidungsersuchen an den
Europäischen Gerichtshof (EuGH) gerichtet, damit dieser klärt, ob ein
Versicherungsmakler auch dann umsatzsteuerfrei tätig ist, wenn er neben der
Vermittlung der Versicherung auch noch die Schadensregulierung übernimmt und
das von ihm entwickelte Versicherungsprodukt lizenziert.
Hintergrund: Nach dem
europäischen Umsatzsteuerrecht und nach dem deutschen Umsatzsteuerrecht ist die
Vermittlung von Versicherungen umsatzsteuerfrei.
Sachverhalt: Die Klägerin hatte
eine Versicherung entwickelt, die Versicherungsschutz bei Piraterie im Golf von
Aden bieten sollte. Sie lizenzierte die Versicherung, vermittelte die
Versicherung und erbrachte auch noch Leistungen zur Vertragsdurchführung,
insbesondere bei der Schadensregulierung. Auf die eigentliche
Versicherungsvermittlung entfielen 67 % ihres Umsatzes. Das Finanzamt gewährte
nur insoweit die Umsatzsteuerfreiheit.
Entscheidung: Der BFH hat
Zweifel an der teilweisen oder gar vollständigen Umsatzsteuerfreiheit:
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Die Klägerin hat eine einheitliche Leistung erbracht, die aus
mehreren Teilen bestand, nämlich aus der Versicherungsvermittlung, aus der
Lizenzgewährung und aus der Leistung bei der Vertragsdurchführung, insbesondere
bei der Schadensregulierung. -
Nach allgemeinen Grundsätzen wird für eine solche einheitliche
Leistung eine Umsatzsteuerfreiheit nur dann gewährt, wenn der umsatzsteuerfreie
Bestandteil, also die Versicherungsvermittlung, den Hauptbestandteil der
Leistung bildet. Dem BFH zufolge stellte aber die Lizenzgewährung den
Hauptbestandteil dar, weil es ohne die Lizenzgewährung nicht zu einer
Versicherungsvermittlung oder zu einer Hilfe bei der Schadensregulierung
gekommen wäre. Die Lizenzgewährung ist aber nicht umsatzsteuerfrei. Demnach
wäre die Leistung der Klägerin in vollem Umfang umsatzsteuerpflichtig. -
Dennoch könnte es nach der Rechtsprechung des EuGH denkbar
sein, dass es für die Umsatzsteuerfreiheit einer einheitlichen Leistung genügt,
dass nur eine Nebenleistung die Voraussetzungen der Umsatzsteuerfreiheit
erfüllt. Es wäre danach nicht schädlich, dass die Versicherungsvermittlung, die
umsatzsteuerfrei ist, nur eine Nebenleistung war.
Hinweise: Die Zweifel des BFH
ergeben sich aus einem Urteil des EuGH, in dem dieser die Umsatzsteuerfreiheit
für einen Versicherer ablehnte, der die Schadensregulierung übernahm. Dem EuGH
zufolge setzt die Umsatzsteuerfreiheit voraus, dass der Versicherungsvermittler
sowohl mit dem Versicherer als auch mit dem Versicherten in Verbindung steht
und dass er zudem wesentliche Aspekte der Versicherungsvermittlung wie die
Kundensuche und das Zusammenbringen des Kunden mit dem Versicherer erbringt;
bei der Schadensregulierung fehlt es an einer Kundensuche und am
Zusammenbringen von Kunden und Versicherer.
Nach diesem EuGH-Urteil müsste die Leistung der Klägerin eigentlich
umsatzsteuerpflichtig sein. Der BFH hält es aber für denkbar, dass nach dem
EuGH bereits eine Nebenleistung die Voraussetzungen der Umsatzsteuerfreiheit
erfüllt.
Eine Verböserung für das Streitjahr ist übrigens ausgeschlossen.
Das Finanzamt hatte den auf die Vermittlung entfallenden Teil des Umsatzes
umsatzsteuerfrei behandelt und die Lizensierung nur dem ermäßigten
Umsatzsteuersatz unterworfen.
BFH, Beschluss v. 5.9.2019 – V R 58/17; NWB