Leben Eltern in einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft zusammen
		und haben sie gemeinsame minderjährige Kinder, kann der Kinderfreibetrag von
		einem Elternteil auf den anderen Elternteil übertragen werden, wenn jener
		Elternteil seiner Unterhaltspflicht im Wesentlichen nicht nachkommt oder
		mangels Leistungsfähigkeit nicht unterhaltspflichtig ist. Es genügt aber nicht,
		dass er weniger verdient und deshalb weniger Barunterhalt leistet, solange er
		seinen Betreuungsunterhalt erfüllt. 
Hintergrund: Für Kinder wird
		jedem Elternteil nach aktueller Rechtslage ein Kinderfreibetrag von 2.730
		€ sowie ein Freibetrag von 1.464 € für den Betreuungs- und
		Erziehungs- oder Ausbildungsbedarf des Kindes gewährt. Auf Antrag eines
		Elternteils wird der dem anderen Elternteil zustehende Kinderfreibetrag und
		Betreuungsfreibetrag auf ihn übertragen, wenn die Voraussetzungen für eine
		Zusammenveranlagung nicht vorliegen und der andere Elternteil seiner
		Unterhaltspflicht gegenüber dem Kind für das Kalenderjahr im Wesentlichen nicht
		nachkommt oder mangels Leistungsfähigkeit nicht unterhaltspflichtig
		ist.
Sachverhalt: Die Klägerin war
		Mutter des im März 1998 geborenen Sohns M und der im April 2001 geborenen
		Tochter L. Mit dem Vater der beiden Kinder lebte sie in den Streitjahren 2015
		bis 2017 in einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft. Das Einkommen des Vaters
		fiel in den Streitjahren niedrig aus. Die Klägerin beantragte die Übertragung
		des auf den Vater entfallenden Kinder- und Betreuungsfreibetrags. Das Finanzamt
		übertrug aber lediglich den sich für M ab März 2016, dem Monat der
		Volljährigkeit, ergebenden Kinder- und Betreuungsfreibetrag auf die Klägerin.
		
Entscheidung: Der
		Bundesfinanzhof (BFH) wies die hiergegen gerichtete Klage ab:
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Das Finanzamt hat zu Recht eine Übertragung des Kinder- und
Betreuungsfreibetrags, der dem Vater für die Tochter L in den Streitjahren 2015
bis 2017 und für M noch bis Februar 2016 zustand, abgelehnt. Zwar waren beide
Kinder in den genannten Zeiträumen minderjährig und galten damit als Kinder im
steuerlichen Sinne. Auch lagen die Voraussetzungen für eine Zusammenveranlagung
nicht vor, da die Klägerin und der Vater der Kinder nicht miteinander
verheiratet waren. - 
Jedoch ist der Vater seiner Unterhaltspflicht nachgekommen.
Die Unterhaltspflicht umfasste zum einen den Bar- oder Naturalunterhalt und zum
anderen den Betreuungsunterhalt.- 
Der Bar- oder Naturalunterhalt richtet sich nach den
Erwerbs- und Vermögensverhältnissen. Zwar verdiente der Vater der Kinder in den
Streitjahren wenig, jedoch er war gleichwohl auch aus seinem niedrigen
Einkommen zum Barunterhalt verpflichtet. - 
Auch den Betreuungsunterhalt hat der Vater der Kinder
erfüllt, da er seiner Pflicht zur Pflege und Erziehung seiner Kinder in vollem
Umfang nachgekommen ist. - 
Selbst wenn der Vater seinen Barunterhalt nicht geleistet
haben sollte, weil er ein zu niedriges Einkommen gehabt haben sollte, hätte der
Vater gleichwohl seinen Betreuungsunterhalt erfüllt. Dies genügt für die
Erfüllung der Unterhaltspflicht. 
 - 
 
Hinweise: Dem BFH zufolge ist
		bei einer funktionsfähigen nichtehelichen Lebensgemeinschaft davon auszugehen,
		dass die Verteilung der Unterhaltsaufgaben dem gemeinsamen Willen der
		Elternteile und der Bestimmung der beiden Sorgeberechtigten bzw. des alleinigen
		Sorgeberechtigten entspricht. Eine Nichterfüllung der Unterhaltspflicht ist
		daher erst dann anzunehmen, wenn z.B. eine Unterhaltsvereinbarung nicht
		eingehalten wird. Solange aber der andere Elternteil seinen Betreuungsunterhalt
		erfüllt, ist bei einer funktionierenden nichtehelichen Lebensgemeinschaft von
		einer Erfüllung der Unterhaltspflicht auszugehen. 
Offengelassen hat der BFH die Frage, ob das Finanzamt zu Recht den
		Kinder- und Betreuungsfreibetrag für M ab März 2016 auf die Klägerin übertragen
		hat. An dem aktuellen Verfahren war der Vater des Kindes prozessual nicht als
		Beigeladener beteiligt; der BFH hat die Frage einer Beiladung nicht erörtert,
		obwohl sich ein Klageerfolg auf den Kindesvater nachteilig ausgewirkt hätte.
		
BFH, Urteil v. 15.12.2021 – III R 24/20; NWB
					