Ein Stipendium, das eine libysche Gastärztin vom libyschen Staat
für ihre Facharztweiterbildung in Deutschland erhält, kann zu den sonstigen
Einkünften gehören und damit der Einkommensteuer unterliegen. Dies ist der
Fall, wenn die Weiterbildung im Rahmen eines Dienstverhältnisses erfolgt, das
Stipendium dafür gezahlt wird, dass die Verpflichtungen aus dem
Dienstverhältnis erfüllt werden, und das Stipendium die fehlende Entlohnung aus
dem Dienstverhältnis ausgleichen soll.

Hintergrund: Zu den steuerbaren
sonstigen Einkünften gehören auch wiederkehrende Bezüge, soweit sie nicht zu
einer der übrigen Einkunftsarten wie z.B. zu den Einkünften aus
nichtselbständiger Arbeit oder aus Gewerbebetrieb gehören. Ausgenommen sind
aber wiederkehrende Bezüge, die freiwillig oder aufgrund einer freiwillig
begründeten Rechtspflicht oder aber einer gesetzlich unterhaltsberechtigten
Person bezahlt werden.

Sachverhalt: Die Klägerin ist
Libyerin und absolvierte 2014 in Deutschland als sog. Gastärztin eine
Facharztweiterbildung, für die sie von dem Krankenhaus, an dem sie tätig war,
keine Vergütung erhielt. Die Klägerin erhielt allerdings von der Libyschen
Botschaft ein monatliches Stipendium; außerdem übernahm die Botschaft ihre
Krankenversicherung. Das Finanzamt sah in den Stipendiumsleistungen steuerbare
sonstige Einkünfte in Gestalt wiederkehrender Bezüge.

Entscheidung: Der
Bundesfinanzhof (BFH) hob das stattgebende Urteil des Finanzgerichts (FG) auf
und verwies die Sache zur weiteren Aufklärung an das FG zurück:

  • Zwar dürfte es sich bei dem Stipendium nicht um Arbeitslohn
    gehandelt haben, der auch von dritter Seite gezahlt werden kann. Arbeitslohn
    von dritter Seite liegt nämlich nicht vor, wenn der Dritte nicht im Interesse
    des Arbeitgebers zahlt, also die Klinik nicht entlasten will, sondern
    eigenwirtschaftliche Interessen verfolgt. Zu diesen Interessen könnte hier die
    Stärkung des libyschen Gesundheitssystems gehört haben; denn die Klägerin
    sollte nach ihrer Weiterbildung in Deutschland wieder zurück nach Libyen
    gehen.

  • Es ist aber denkbar, dass das Stipendium zu steuerbaren
    wiederkehrenden Bezügen und damit zu sonstigen Einkünften geführt hat.
    Wiederkehrende Bezüge liegen vor, wenn Zahlungen aufgrund eines einheitlichen
    Entschlusses oder Rechtsgrunds wiederholend erbracht werden; die Höhe der
    Zahlungen muss aber nicht identisch sein. Außerdem muss durch die Zahlungen die
    wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen gestärkt werden; daher
    gehören solche regelmäßigen Zahlungen nicht zu den steuerbaren wiederkehrenden
    Bezügen, die lediglich einen Mehrbedarf des Steuerpflichtigen (z.B. einen
    eingetretenen Schaden) ausgleichen sollen.

  • Zwar sind wiederkehrende Bezüge nicht steuerbar, wenn sie
    freiwillig erbracht werden und der Empfänger keine Gegenleistung erbringt. Im
    Streitfall ist aber nicht erkennbar, ob die Klägerin eine Gegenleistung
    erbracht hat. Allein eine etwaige Rückkehrpflicht nach Libyen, eine
    Rückzahlungsverpflichtung der Klägerin oder die Pflicht zum Wissenstransfer
    nach Rückkehr in die Heimat wären zwar nicht als Gegenleistung anzusehen. In
    Deutschland erfolgt aber die ärztliche Weiterbildung zum Facharzt im Rahmen
    einer angemessen vergüteten ärztlichen Berufstätigkeit. Daher sind Zahlungen
    aus einem Stipendium steuerbare wiederkehrende Bezüge, wenn die Weiterbildung
    im Rahmen eines Dienstverhältnisses erfolgt, die Leistungen aus dem Stipendium
    daran anknüpfen, dass die Verpflichtungen aus dem Dienstverhältnis erfüllt
    werden, und die Leistungen aus dem Stipendium die fehlende Entlohnung aus dem
    Dienstverhältnis ausgleichen sollen.

Hinweise: Das FG muss nun
ermitteln, ob die Klägerin für das Stipendium eine Gegenleistung erbracht hat.
Hierzu muss es prüfen, ob die Klägerin gegenüber dem Krankenhaus zur Tätigkeit
(Gegenleistung) verpflichtet war oder ob es Kooperationsvereinbarungen zwischen
dem Krankenhaus und Libyen gab, in denen dienstliche Pflichten des Gastarztes
festgeschrieben waren. Falls eine Gegenleistung der Klägerin zu bejahen sein
sollte, wären auch diejenigen Stipendiumsleistungen steuerbar, die bereits vor
Aufnahme der Tätigkeit als Gastarzt im Hinblick auf die demnächst erfolgende
Tätigkeit im Krankenhaus bezahlt worden sind.

Unter bestimmten Voraussetzungen können Stipendien steuerfrei sein.
Eine dieser Steuerbefreiungen hat der BFH ausgeschlossen, weil sie nur
Stipendien zu Ausbildungszwecken steuerfrei stellt; die Klägerin war aber
bereits ausgebildet und wollte sich jetzt nur noch fortbilden. Eine andere
Steuerbefreiung, die Stipendien aus öffentlichen Mitteln freistellt, könnte
hingegen in Betracht kommen; allerdings greift die Steuerfreiheit nicht, wenn
der Stipendiat zu einer bestimmten Arbeitnehmertätigkeit verpflichtet ist. Die
Steuerfreiheit wäre daher nicht zu gewähren, wenn die Klägerin in einem
Dienstverhältnis zum Krankenhaus stand und deshalb weisungsgebunden zur
Ausübung ärztlicher Betätigung verpflichtet war; dies muss das FG nun
ermitteln.

BFH, Urteil vom 8.7.2020 – X R 6/19; NWB

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