Eine Pfändung, die auf der Grundlage eines Durchsuchungsbeschlusses
durchgeführt wird, wird rechtswidrig, wenn der Durchsuchungsbeschluss im
Beschwerdeverfahren von der nächsthöheren Instanz aufgehoben wird. Dies folgt
aus dem Grundsatz der Unverletzlichkeit der Wohnung.

Hintergrund: Die Finanzbehörden
können im Wege der sog. Amtshilfe auch Forderungen anderer Behörden
vollstrecken. Die Vollstreckung darf erst beginnen, wenn die Leistung fällig
ist, der Vollstreckungsschuldner zur Leistung aufgefordert worden ist, seit der
Aufforderung mindestens eine Woche verstrichen und eine Mahnung erfolgt ist.
Soll eine Pfändung in der Wohnung des Vollstreckungsschuldners durchgeführt
werden, geht dies nur mit seiner Einwilligung oder bei Gefahr im Vollzug. Sind
beide Voraussetzungen nicht erfüllt, ist eine richterliche Anordnung
erforderlich (Durchsuchungsbeschluss).

Sachverhalt: Der Kläger
schuldete mehreren Behörden insgesamt ca. 1.600 €. Die Behörden baten
das Finanzamt um Amtshilfe bei der Vollstreckung. Nachdem mehrere
Vollstreckungsversuche vergeblich geblieben waren, erließ das Amtsgericht auf
Antrag des Finanzamts einen Durchsuchungsbeschluss, in dem aber die
Vollstreckungsbeträge nicht bezeichnet waren. Am 28.1.2016 ließ der
Vollstreckungsbeamte des Finanzamts durch einen Schlüsseldienst die Garage des
Klägers öffnen und pfändete den Pkw sowie das Motorrad des Klägers, indem er
dort Pfandsiegel anbrachte; beide Fahrzeuge blieben in der Garage stehen. Am
11.4.2016 holte der Vollstreckungsbeamte mit Hilfe eines Abschleppdienstes den
Pkw ab und nahm die Kfz-Papiere sowie die Autoschlüssel mit. An dem Motorrad
ersetzte er das vom Kläger beschädigte Pfandsiegel. Der Kläger legte noch am
selben Tag Rechtsmittel beim Landgericht ein, die am 6.6.2016 Erfolg hatten,
weil die Vollstreckungsbeträge im Durchsuchungsbeschluss nicht genannt waren.
Außerdem erhob der Kläger Einspruch gegen die Vollstreckungsmaßnahmen. Dieser
Einspruch und die anschließende Klage beim Finanzgericht (FG) blieben
erfolglos, so dass der Kläger Revision beim Bundesfinanzhof (BFH) einlegte.

Entscheidung: Der BFH gab der
Klage statt und stellte die Rechtswidrigkeit der Pfändungen vom 28.1.2016 fest:

  • Zwar lagen die Voraussetzungen für eine Vollstreckung vor, da
    die Forderungen gegen den Kläger fällig waren und der Kläger insbesondere
    gemahnt worden war.

  • Die Pfändung des Kfz und des Motorrads waren aber rechtswidrig,
    weil der Durchsuchungsbeschluss durch das Landgericht aufgehoben worden ist.
    Damit werden die Durchsuchung und die dabei erfolgten Pfändungen rechtswidrig.
    Dies dient dem Schutz der Unverletzlichkeit der Wohnung, zu der auch die Garage
    gehört, und sichert die Rechtsstaatlichkeit des Verfahrens. Ob die Entscheidung
    des Landgerichts zutreffend ist, ist von den Finanzgerichten und dem BFH nicht
    zu überprüfen.

  • Am 11.4.2016 gab es hingegen keine Pfändungen mehr, so dass die
    Rechtswidrigkeit der Maßnahmen vom 11.4.2016 nicht gerichtlich festgestellt
    werden kann. Die Erneuerung des Pfandsiegels an dem Motorrad ist keine erneute
    Pfändung, weil die Pfändung trotz der Zerstörung des Pfandsiegels bestehen
    bleibt. Auch das Mitnehmen der Kfz-Papiere und Autoschlüssel stellt keine
    Pfändung dar, sondern erschwert lediglich die unberechtigte Nutzung des Kfz,
    sichert das bereits am 28.1.2016 begründete Pfandrecht und erleichtert die
    Verwertung der Pfandsache.

Hinweise: Eine Pfändung, die
aufgrund eines Durchsuchungsbeschlusses erfolgt, der aufgehoben wird, bleibt
allerdings wirksam, ist also nicht nichtig; sie ist lediglich rechtswidrig, so
dass ihre Rechtswidrigkeit festgestellt werden kann. Dies erfolgt durch eine
sog. Fortsetzungsfeststellungsklage, die im Streitfall zulässig war, obwohl
sich der Rechtsstreit erledigt hatte, nachdem der Kläger im Mai 2016 dann doch
die offenen Beträge gezahlt hatte. Trotz dieser Erledigung konnte der Kläger
die Rechtswidrigkeit mittels Fortsetzungsfeststellungsklage gerichtlich
feststellen lassen, weil er auch noch Amtshaftungsansprüche gegen das Finanzamt
geltend machen wollte und weil noch die Kostentragung für die Vollstreckung
streitig war.

Der Kläger selbst hatte sich durch das Entfernen der Pfandsiegel
strafbar gemacht. Außerdem hatte er die Kfz-Papiere und -Schlüssel im Tresor
verschlossen und nicht freiwillig herausgegeben, und er hatte Motorrad und Kfz
so in der Garage umgeparkt, dass das Kfz nicht mehr ohne weiteres abgeschleppt
werden konnte. Der Einsatz am 11.4.2016 dauerte hierdurch ca. 3,5 Stunden, und
löste Kosten von fast 1.500 € aus.

BFH, Urteil vom 15.10.2019 – VII R 6/18

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