Die Kosten für eine Fettabsaugung (Liposuktion) zwecks Behandlung
		eines Lipödems sind jedenfalls seit 2016 auch dann als außergewöhnliche
		Belastungen steuerlich absetzbar, wenn weder ein amtsärztliches Gutachten noch
		eine ärztliche Bescheinigung eines Medizinischen Dienstes der
		Krankenversicherung vorab eingeholt worden sind. Denn es handelt sich bei der
		Liposuktion jedenfalls seit 2016 um eine
		medizinisch anerkannte Heilbehandlung.
		
Hintergrund: Aufwendungen, die
		dem Steuerpflichtigen zwangsläufig entstehen, weil er sich ihnen aus
		rechtlichen, tatsächlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann und die
		notwendig und angemessen sind, können als außergewöhnliche Belastungen
		abgesetzt werden. Ein typisches Beispiel hierfür sind Krankheitskosten. Für
		wissenschaftlich nicht anerkannte
		Behandlungsmethoden ist nach dem Gesetz vorab ein
		amtsärztliches Gutachten oder eine
		ärztliche Bescheinigung eines Medizinischen Dienstes der
		Krankenversicherung einzuholen. 
Sachverhalt: Die Klägerin litt
		seit 2012 unter einem Lipödem (Störung der Fettverteilung im Körper). Auf
		Empfehlung ihres Arztes ließ sie im Jahr 2017 drei Liposuktionsbehandlungen
		durchführen, die von der Krankenkasse nicht erstattet wurden. Sie machte die
		Kosten daher als außergewöhnliche Belastungen geltend. Das Finanzamt erkannte
		die außergewöhnlichen Belastungen nicht an und begründete dies damit, dass
		vorab ein amtsärztliches Gutachten oder eine ärztliche Bescheinigung eines
		Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung hätte eingeholt werden müssen.
		
Entscheidung: Der
		Bundesfinanzhof (BFH) gab der Klage statt:
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Krankheitskosten sind grundsätzlich außergewöhnliche 
 Belastungen, da sie dem Steuerpflichtigen zwangsläufig erwachsen. Allerdings
 muss es sich um Kosten handeln, die zum Zweck der Heilung (Medikamente,
 Operation) oder die zum Zweck der Linderung der Krankheit (z. B. Rollstuhl)
 getätigt werden.
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Zwar ist bei wissenschaftlich nicht anerkannten 
 Behandlungsmethoden vorab ein amtsärztliches Gutachten oder eine ärztliche
 Bescheinigung eines Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung einzuholen.
 Hierzu gehören etwa Frisch- und Trockenzellbehandlungen oder eine
 Eigenbluttherapie.
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Seit dem Jahr 2016 ist die Liposuktion aber eine 
 wissenschaftlich anerkannte Behandlungsmethode zur Behandlung von Spontan- und
 Druckschmerz sowie der Ödem- und Hämatomneigung, insbesondere auch zur
 Behandlung eines Lipödems. Hierzu gibt es seit 2016 entsprechende
 wissenschaftliche Gutachten der Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen
 Medizinischen Fachgesellschaften, der Bundesärztekammer sowie weiterer
 medizinischer Fachgesellschaften wie z.B. der Deutschen Gesellschaft für
 Wundheilung und Wundbehandlung.
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Der Abzug der Kosten als außergewöhnliche Belastungen setzte 
 daher im Streitfall weder ein amtsärztliches Gutachten noch eine ärztliche
 Bescheinigung eines Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung vor
 Durchführung der Liposuktion voraus.
Hinweise: Eine Liposuktion
		stellt nach dem Urteil des BFH in der Regel keinen kosmetischen Eingriff dar,
		sondern dient der Linderung von Schmerzen sowie der Vermeidung von
		Sekundärerkrankungen. Der Klägerin kam zugute, dass sich die medizinische Sicht
		seit 2015 zugunsten der Liposuktion gewandelt hat, die seitdem als
		Behandlungsmethode wissenschaftlich anerkannt ist. 
Entscheidet sich der Steuerpflichtige für eine Behandlung, die
		wissenschaftlich nicht oder noch nicht anerkannt ist, werden die Kosten von der
		Krankenkasse nicht ersetzt. Damit stellt sich die Frage des steuerlichen Abzugs
		als außergewöhnliche Belastung, der aber im Fall fehlender wissenschaftlicher
		Anerkennung die vorherige Einholung eines amtsärztlichen Gutachtens oder einer
		ärztlichen Bescheinigung eines Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung
		verlangt. Sollte dieses tatsächlich vorab eingeholt worden sein, könnte damit
		bereits die Erstattung durch die Krankenkasse beansprucht werden, so dass es
		keine außergewöhnliche Belastung mehr gibt. 
Quelle: BFH, Urteil v. 23.3.2023 – VI R 39/20;
		NWB
 
					