Ein Gutachter, der Pflegegutachten für den Medizinischen Dienst der
Krankenversicherung (MDK) erstellt, erbringt keine umsatzsteuerfreien
Leistungen, da er selbst keinen Vertrag mit der Pflegekasse abgeschlossen hat.
Es genügt nicht, dass sein Honorar mittelbar von der Pflegekasse über den MDK
erstattet wird.

Hintergrund: Bestimmte
Leistungen sind umsatzsteuerfrei, und zwar entweder nach deutschem Recht oder
aber nach dem europäischen Umsatzsteuerrecht. So sind z.B. medizinische
Heilbehandlungen nach dem deutschen Gesetz steuerfrei. Nach dem europäischen
Umsatzsteuerrecht sind z.B. Dienstleistungen umsatzsteuerfrei, die eng mit der
Sozialfürsorge und der sozialen Sicherheit verbunden sind, einschließlich
solcher Leistungen, die durch Altenheime, Einrichtungen des öffentlichen Rechts
oder andere von dem betreffenden EU-Staat als Einrichtungen mit sozialem
Charakter anerkannte Einrichtungen bewirkt werden.

Sachverhalt: Die Klägerin war in
den Streitjahren 2012 bis 2014 selbständige Gutachterin für den MDK und
erstellte Gutachterin über die Pflegebedürftigkeit von Patienten. Sie war
ausgebildete Krankenschwester und hatte eine pflegewissenschaftliche
Zusatzausbildung. Sie behandelte ihre Honorare als umsatzsteuerfrei. Das
Finanzamt unterwarf die Honorare jedoch der Umsatzsteuer.

Entscheidung: Der
Bundesfinanzhof (BFH) wies die Klage für 2012 und 2013 ab und hinsichtlich des
Jahres 2014 an das Finanzgericht (FG) zur weiteren Aufklärung zurück:

  • Die Gutachterleistungen der Klägerin waren weder nach
    deutschem Recht noch nach dem europäischen Umsatzsteuerrecht umsatzsteuerfrei.

  • So handelte es sich nicht um eine umsatzsteuerfreie
    Heilbehandlung, da die Leistungen der Klägerin weder der Behandlung noch
    Linderung oder Vorbeugung einer Krankheit dienten, sondern nur die Entscheidung
    ermöglichen sollten, in welcher Höhe der Versicherte einen Kostenersatz
    gegenüber der Pflegeversicherung hat. Aufgabe des MDK ist nur die Begutachtung
    aus sozialversicherungsrechtlichen Gründen, nicht aber die Therapie.

  • Die Klägerin hat auch keine Personen betreut oder gepflegt,
    und sie ist auch kein gesetzlicher Träger der Sozialversicherung, dessen
    Umsätze nach dem deutschen Recht ebenfalls steuerfrei sind.

  • Schließlich kann sich die Klägerin auch nicht auf die
    europäische Umsatzsteuerbefreiung für Leistungen, die eng mit der
    Sozialfürsorge und der sozialen Sicherheit verbunden sind, berufen. Die
    Steuerbefreiung setzt nämlich voraus, dass die Klägerin eine Einrichtung mit
    sozialem Charakter ist; dies wäre nur der Fall gewesen, wenn die Klägerin mit
    der Pflegekasse selbst einen Vertrag abgeschlossen hätte. Eine Einrichtung mit
    sozialem Charakter ist lediglich der MDK.

Hinweise: Hinsichtlich des
Jahres 2014 hat der BFH die Sache deshalb an das FG zurückverwiesen, weil in
diesem Jahr noch die Bemessungsgrundlage für die Umsatzsteuer streitig ist. Die
Umsatzsteuerpflicht steht nun aber auch für das Jahr 2014 fest.

Der BFH hatte vor seiner Entscheidung den Europäischen Gerichtshof
(EuGH) angerufen, der im Ergebnis keine Bedenken gegen die Versagung der
Umsatzsteuerfreiheit hatte. Dennoch führt das Urteil des EuGH in einigen
Punkten zu einer Änderung der Rechtsprechung des BFH: So ist es für die
Umsatzsteuerfreiheit nach dem europäischen Umsatzsteuerrecht nunmehr
unschädlich, dass die Klägerin ihre Leistungen nicht gegenüber den Patienten,
sondern gegenüber dem MDK erbracht hat. Umgekehrt reicht es aber entgegen der
bisherigen Rechtsprechung künftig nicht mehr aus, dass die Kosten für das
Gutachten mittelbar von einer Einrichtung der sozialen Sicherheit getragen
worden sind; zukünftig wird erforderlich sein, dass der Gutachter mit der
Pflegekasse einen Vertrag schließt.

BFH, Urteil v. 24.2.2021 – IX R 30/20 (XI R 11/17);
NWB

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