Der Ablauf der Festsetzungsfrist wird nicht gehemmt, wenn das
Finanzamt vor Eintritt der Verjährung zwar mit einer Außenprüfung beginnt,
jedoch die zugrunde liegende Prüfungsanordnung an einen anderen
Steuerpflichtigen gerichtet ist. Erlässt das Finanzamt in einem solchen Fall
die Änderungsbescheide im Anschluss an die Außenprüfung erst nach Ablauf der
regulären vierjährigen Verjährungsfrist, kann der Steuerpflichtige die
Bescheide mit Erfolg anfechten und deren Aufhebung wegen Verjährungseintritts
beantragen.

Hintergrund: Nach Ablauf der
Festsetzungsfrist darf das Finanzamt keinen Steuerbescheid mehr erlassen. Die
Festsetzungsfrist wird aber in bestimmten Fällen gehemmt, z.B. wenn vor
Eintritt der Verjährung eine Außenprüfung beginnt, die auf einer förmlichen
Prüfungsanordnung beruht.

Sachverhalt: Die Klägerin war
die B-GmbH, die ihre Steuererklärungen jeweils im übernächsten Jahr abgegeben
hatte. Im Jahr 2007 übertrug sie ihr gesamtes Vermögen auf die A-GmbH & Co.
KG und erhielt im Gegenzug eine Beteiligung an der A-GmbH & Co. KG. Am
16.8.2010 ordnete das Finanzamt unter der Steuernummer der Klägerin eine
Außenprüfung für die Jahre 2004 bis 2007 an; diese Prüfungsanordnung war an die
„Firma A-GmbH & Co. KG als RNF der B-GmbH“ gerichtet;
„RNF“ stand für „Rechtsnachfolgerin“. Das Finanzamt
führte anschließend die Außenprüfung durch und erließ 2014 geänderte Bescheide
für die Streitjahr 2004 bis 2007. Die Klägerin wehrte sich gegen die
Änderungsbescheide.

Entscheidung: Der BFH gab der
Klage im Grundsatz statt, verwies die Sache aber an das Finanzgericht (FG), das
eine verlängerte Verjährungsfrist prüfen muss:

  • Im Jahr 2014 war bereits die reguläre Verjährungsfrist von
    vier Jahren abgelaufen. Da die Klägerin ihre Steuererklärungen jeweils im
    übernächsten Jahr abgegeben hatte (z.B. im Jahr 2006 für 2004), begann die
    Verjährungsfrist für 2004 am 1.1.2007 und endete am 31.12.2010. Für 2007 begann
    die Verjährungsfrist am 1.1.2010 und endete am 31.12.2013. Die
    Änderungsbescheide ergingen aber erst im Jahr 2014.

  • Eine Ablaufhemmung wegen der Außenprüfung war nicht
    eingetreten. Denn dies hätte nicht nur vorausgesetzt, dass das Finanzamt mit
    der Außenprüfung vor dem Ablauf der regulären Verjährungsfrist begonnen hat,
    sondern dass es auch eine förmliche und gegenüber der Klägerin wirksame
    Prüfungsanordnung gab.

  • Die Prüfungsanordnung richtete sich nicht gegen die Klägerin,
    sondern gegen die A-GmbH & Co. KG. Das Finanzamt war nämlich zu Unrecht
    davon ausgegangen, dass die Klägerin aufgrund der Ausgliederung ihres Vermögens
    im Jahr 2007 auf die A-GmbH & Co. KG untergegangen war. Tatsächlich bestand
    die Klägerin aber fort und war seit 2007 an der A-GmbH & Co. KG beteiligt.

  • Eine Auslegung der Prüfungsanordnung scheitert, weil sie
    eindeutig an die A-GmbH & Co. KG gerichtet war. Es kommt nicht darauf an,
    ob die Klägerin zunächst glaubte, dass sich die Prüfungsanordnung gegen sie
    richten würde.

Hinweise: Das FG muss nun
klären, ob eine auf fünf oder zehn Jahre verlängerte Verjährungsfrist galt.
Dies setzt eine leichtfertige bzw. vorsätzliche Steuerverkürzung voraus, wofür
es nach dem Sachverhalt keine Anhaltspunkte gibt. Dennoch muss diese Prüfung
zunächst das FG vornehmen.

Der BFH stellt zudem klar, dass sich das Finanzamt nicht auf Treu
und Glauben berufen darf. Ist Verjährung eingetreten, erlischt der
Steueranspruch des Fiskus. Der Grundsatz von Treu und Glauben kann also nicht
dazu führen, dass ein erloschener Anspruch wiederauflebt. Der Klägerin war es
somit nicht verwehrt, sich auf den Ablauf der Festsetzungsfrist zu berufen,
nachdem sie in der Außenprüfung noch mitgewirkt hatte.

BFH, Urteil vom 11.12.2020 – IX R 33/18; NWB

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