Die Erbschaftsteuerbefreiung für die Vererbung des Familienheims an
den Ehegatten ist rückgängig zu machen, wenn der überlebende Ehegatte das
Familienheim innerhalb von zehn Jahren überträgt. Dies gilt auch dann, wenn der
überlebende Ehegatte die Selbstnutzung aufgrund eines lebenslangen
Nießbrauchsrechts fortsetzt.
Hintergrund: Ein Familienheim,
in dem sich der Mittelpunkt des Haushalts befindet, kann unter Ehegatten
steuerfrei vererbt werden. Die bisherige Selbstnutzung muss vom überlebenden
Ehegatten aber grds. innerhalb der nächsten zehn Jahre fortgesetzt werden.
Anderenfalls fällt die Steuerbefreiung rückwirkend weg.
Sachverhalt: Die Klägerin erbte
am 3.5.2013 von ihrem Ehemann einen hälftigen Miteigentumsanteil am
Einfamilienhaus, in dem die Klägerin zusammen mit ihrem verstorbenen Ehemann
bis zu seinem Tod gewohnt hatte. Die Klägerin blieb in dem Einfamilienhaus
wohnen. Sie übertrag aber das Eigentum an dem Einfamilienhaus am 15.10.2014 auf
ihre Tochter und behielt sich einen lebenslangen Nießbrauch vor, so dass die
Klägerin auch weiterhin in dem Haus wohnte. Das Finanzamt machte aufgrund der
Übertragung vom 15.10.2014 die Steuerbefreiung für den geerbten
Miteigentumsanteil rückgängig.
Entscheidung: Der
Bundesfinanzhof (BFH) wies die Klage ab:
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Zwar war die Vererbung des hälftigen Miteigentumsanteils
zunächst erbschaftsteuerfrei. Denn bei dem Einfamilienhaus handelte es sich um
das Familienheim der Ehegatten, das steuerfrei vererbt werden
kann. -
Diese Erbschaftsteuerbefreiung fiel aber aufgrund der
Übertragung vom 15.10.2014 rückwirkend weg, weil die Klägerin das Eigentum an
dem Einfamilienhaus auf ihre Tochter übertrug und die Zehn-Jahres-Frist noch
nicht abgelaufen war. -
Der Gesetzgeber verlangt zwar ausdrücklich nur, dass der Erbe
die Selbstnutzung für zehn Jahre fortführt. Der Gesetzgeber hat aber nicht
ausdrücklich geregelt, dass der Erbe auch Eigentümer in diesem Zeitraum bleiben
muss. Im Wege der Gesetzesauslegung ergibt sich aber, dass der Erbe auch
Eigentümer bleiben muss. Denn es muss sich um eine „Selbstnutzung“
zu „eigenen“ Wohnzwecken handeln; diese sprachliche Doppelung
bringt zum Ausdruck, dass die Selbstnutzung in den eigenen Räumen erfolgen
muss. Zudem wollte der Gesetzgeber die Substanz des begünstigten
Immobilienvermögens erhalten, so dass nur das familiäre Wohnen als Eigentümer
steuerlich begünstigt ist, nicht aber das Wohnen als Mieter oder Nießbraucher.
Anderenfalls könnte der Erbe das geerbte Familienheim sogleich
weiterveräußern. -
Die Steuerbefreiung kommt auch nicht deshalb in Betracht, weil
die Übertragung auf die Tochter der Klägerin vorgenommen worden ist. Zwar
können auch Kinder ein Familienheim steuerfrei erben, soweit die Größe des
Familienheims 200 qm nicht übersteigt. Dennoch können beide Steuerbefreiungen
nicht miteinander vermengt werden.
Hinweise: Das Urteil macht
deutlich, dass die Steuerbefreiung für das Familienheim restriktiv ausgelegt
wird. Steuerlich schädlich wäre es auch, wenn der Vater sein Kind als Erbe des
Familienheims eingesetzt hätte und seiner Ehefrau einen lebenslangen Nießbrauch
als Vermächtnis zugewendet hätte. Denn der selbstnutzende Ehegatte wäre nicht
Eigentümer, während das Kind das Familienheim nicht selbstnutzen würde.
BFH, Urteil v. 11.7.2019 – II R 38/16