Das Finanzamt darf einen Steuerbescheid, in dem fehlerhaft ein
Freibetrag für Veräußerungsgewinne berücksichtigt worden ist, nicht wegen einer
offenbaren Unrichtigkeit zu Lasten des Steuerpflichtigen berichtigen, wenn der
Steuerpflichtige den Veräußerungsgewinn richtig erklärt hat und das Finanzamt
die Steuererklärung intensiv und durch mehrere Beamte geprüft hat. Es ist dann
nämlich nicht ausgeschlossen, dass die fehlerhafte Gewährung eines Freibetrags
auf einer rechtlichen Erwägung beruht und nicht auf einem mechanischen
Versehen.

Hintergrund: Das Finanzamt darf
einen fehlerhaften Steuerbescheid bei einer offenbaren Unrichtigkeit
berichtigen; die Berichtigung kann zugunsten oder zuungunsten des
Steuerpflichtigen ausfallen. Offenbare Unrichtigkeiten sind insbesondere
Schreib- und Rechenfehler, z.B. ein Zahlendreher, durch den Einkünfte in Höhe
von 54.000 € statt 45.000 € erfasst werden, oder ein Übersehen
einer Angabe.

Sachverhalt: Der Kläger hatte
2011 eine Beteiligung von 20 % an einer GmbH verkauft und hieraus nach Abzug
der Veräußerungskosten einen Gewinn von 132.900 € erzielt, der zu
60 % nach dem sog. Teileinkünfteverfahren steuerpflichtig war, d.h. in Höhe von
79.740 €. Er erklärte den Veräußerungsgewinn korrekt in seiner
Einkommensteuererklärung. Das Finanzamt prüfte die Steuererklärung aufgrund
wiederholter Prüfhinweise durch die EDV mehrfach und auch durch mehrere
Mitarbeiter. Im Rahmen dieser Prüfung setzte ein Mitarbeiter des Finanzamts
manuell einen Freibetrag für Veräußerungsgewinne in Höhe des erklärten
Veräußerungsgewinns von 79.740 € ein, so dass im Steuerbescheid für
2011 ein Veräußerungsgewinn nur in Höhe von 0 € berücksichtigt
wurde anstatt mit 79.740 €. Dieser Fehler wurde im Rahmen einer
Außenprüfung im Jahr 2014 bemerkt. Daraufhin berichtigte das Finanzamt den
Bescheid wegen einer offenbaren Unrichtigkeit und setzte den Veräußerungsgewinn
nunmehr in der richtigen Höhe von 79.740 € an. Hiergegen wandte
sich der Kläger.

Entscheidung: Der
Bundesfinanzhof (BFH) gab dem Kläger recht:

  • Zu den offenbaren Unrichtigkeiten gehören mechanische Versehen
    wie Schreib-, Rechen-, Eingabe- oder Übertragungsfehler. Nicht zu den
    offenbaren Unrichtigkeiten gehören hingegen Rechtsanwendungsfehler, Fehler bei
    der Tatsachenwürdigung oder Fehler bei der Sachaufklärung.

  • Im Streitfall bleibt unklar, wann, auf welche Weise und durch
    wen der fehlerhafte Eintrag eines Freibetrags für Veräußerungsgewinne
    vorgenommen worden ist. Jedoch steht fest, dass die Steuererklärung mehrfach
    inhaltlich geprüft und bearbeitet worden ist. Denn es kam bei der Bearbeitung
    der Steuererklärung zu elektronisch erstellten Prüfhinweisen, so dass die
    Steuererklärung als sog. Intensiv-Prüfungsfall eingestuft wurde.

  • Angesichts dieser intensiven Prüfung der Steuererklärung kann
    ein Fehler bei der Rechtsanwendung nicht ausgeschlossen werden. Die Unklarheit
    über die Einzelheiten der Fehlerentstehung geht somit nach den Grundsätzen der
    Beweislast zu Lasten des Finanzamts.

Hinweise: Das Finanzgericht in
der ersten Instanz hatte die Mitarbeiter des Finanzamts als Zeugen befragt.
Allerdings hatte auch diese Befragung kein klares Ergebnis gebracht. Im
Ergebnis hat der BFH daher nach den Grundsätzen der Beweislast entscheiden; die
Beweislast traf das Finanzamt, weil es den Bescheid berichtigt hatte und
deshalb eine offenbare Unrichtigkeit nachweisen musste.

Eine Berichtigung wegen offenbarer Unrichtigkeit ist
verschuldensunabhängig möglich. Sie kommt also auch dann in Betracht, wenn der
Schreib- oder Rechenfehler durch Unachtsamkeit verursacht worden ist.

BFH, Urteil v. 10.12.2019 – IX R 23/18; NWB

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