Eine Verbindlichkeit ist nicht gewinnerhöhend aufzulösen, wenn eine
Rangrücktrittsvereinbarung geschlossen worden ist, die eine Tilgung aus freiem
Vermögen vorsieht. Dies gilt auch dann, wenn der Schuldner sein operatives
Geschäft eingestellt hat und nur noch sein Betriebsgrundstück vermietet und
zudem überschuldet ist.

Hintergrund: Mit einem
Rangrücktritt tritt ein Gläubiger gegenüber den anderen Gläubigern im Rang
zurück. Ein Rangrücktritt führt grundsätzlich dazu, dass die Verbindlichkeit
nicht in einer Überschuldungsbilanz ausgewiesen werden muss, so dass durch
einen Rangrücktritt ein Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens vermieden
werden kann.

Sachverhalt: Die Klägerin war eine GmbH, deren Alleingesellschafter
der B war. Die Klägerin stellte ihren operativen Geschäftsbetrieb im Jahr 2006
ein und vermietete nunmehr nur noch ihr Betriebsgelände. Im Jahr 2007 war die
Klägerin überschuldet und vereinbarte mit B einen Rangrücktritt, nach dem B im
Rang hinter die anderen Gläubiger zurücktreten sollte und eine Tilgung nur aus
künftigen Jahresüberschüssen, aus einem Liquidationsüberschuss und aus freiem
Vermögen verlangen konnte. Jeweils in den Jahren 2007 und 2008 verzichtete B
noch auf einen Teilbetrag der Forderung, nicht aber auf die gesamte Forderung.
Im Jahr 2017 nahm die Klägerin ihren operativen Betrieb wieder auf. Das
Finanzamt löste die Verbindlichkeit zum 31.12.2008 gewinnerhöhend auf und
begründete dies damit, dass die wirtschaftliche Belastung weggefallen sei, weil
die Klägerin aufgrund ihrer wirtschaftlichen Lage die Verbindlichkeit nicht
mehr erfüllen werde.

Entscheidung: Der
Bundesfinanzhof (BFH) gab der hiergegen gerichteten Klage statt:

  • Die Verbindlichkeit war in der Handelsbilanz nicht aufzulösen,
    so dass die Verbindlichkeit aufgrund des sog. Maßgeblichkeitsgrundsatzes in die
    Steuerbilanz zu übernehmen war; die Handelsbilanz ist nämlich grundsätzlich
    maßgeblich für die Steuerbilanz.

  • In der Handelsbilanz blieb die Verbindlichkeit deshalb stehen,
    weil die wirtschaftliche Belastung, die mit einer Verbindlichkeit einhergeht,
    trotz der Überschuldung der Klägerin und der Einstellung ihres operativen
    Geschäftes bestehen blieb. Handelsrechtlich genügt es für eine Ausbuchung der
    Verbindlichkeit nicht, dass der Schuldner überschuldet ist.

  • Auch der Rangrücktritt führte handelsrechtlich nicht zu einer
    Ausbuchung der Verbindlichkeit. Denn durch den Rangrücktritt hat sich für den B
    nur die Rangfolge geändert; der Rangrücktritt stellt aber keinen
    Forderungsverzicht dar. Der B hätte daher – im Rang nach den anderen
    Gläubigern – eine Tilgung von der Klägerin aus deren freien Vermögen
    verlangen können, d.h. aus dem Vermögen, das nach Abzug der Schulden verbleibt.

  • Damit war die Verbindlichkeit sowohl in der Handels- als auch
    in der Steuerbilanz zu passivieren. Steuerlich gibt es zwar noch die
    Besonderheit, dass eine Verbindlichkeit nicht passiviert werden darf, wenn sie
    nur aus künftigen Gewinnen oder Einnahmen zu bedienen ist. Bei Rangrücktritten
    greift diese Regelung aber nur, wenn eine Tilgung aus freiem Vermögen
    ausgeschlossen ist und die Tilgung nur aus künftigen Gewinnen und aus einem
    künftigen Liquidationsüberschuss zu erfolgen hat. Im Streitfall war die Tilgung
    aus freiem Vermögen jedoch nicht ausgeschlossen. Unbeachtlich ist, dass die
    Entstehung freien Vermögens eher unwahrscheinlich war.

Hinweise: Das Urteil ist für die Praxis enorm wichtig, weil der BFH
deutlich macht, dass eine Rangrücktrittsvereinbarung in der Handelsbilanz nicht
zur Auflösung der Verbindlichkeit führt; dies gilt über den
Maßgeblichkeitsgrundsatz auch für die Steuerbilanz, so dass eine
gewinnerhöhende Auflösung und damit eine Steuererhöhung vermieden werden kann.
Diese Klarstellung des BFH war geboten, weil es handelsbilanziell in den
letzten Jahren aufgrund einer Entscheidung des Bundesgerichtshofs umstritten
war, ob Rangrücktrittsverbindlichkeiten gewinnerhöhend aufzulösen sind.

Gerade für wirtschaftlich angeschlagene Unternehmen ist es zudem
wichtig, dass der BFH allein die Überschuldung und wirtschaftlich schlechte
Lage des Schuldners nicht für ausreichend hält, eine Verbindlichkeit
gewinnerhöhend aufzulösen.

BFH, Urteil vom 13.9.2018 – XI R 32/18; NWB

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