Ein Steuerbescheid, in dem Kapitaleinkünfte im Rahmen einer sog.
Günstigerprüfung berücksichtigt worden sind, kann bei Nacherklärung weiterer
Kapitaleinkünfte nicht mehr geändert werden, wenn zugleich einbehaltene Steuern
angerechnet werden würden, die insgesamt zu einer Steuererstattung führen, und
den Steuerpflichtigen ein grobes Verschulden an der Nacherklärung trifft.

Hintergrund: Steuerbescheide
können wegen neuer Tatsachen, die dem Finanzamt nach Erlass des Bescheids
nachträglich bekannt werden, grundsätzlich geändert werden. Führen die neuen
Tatsachen aber zu einer niedrigeren Steuer, setzt die Änderung voraus, dass den
Steuerpflichtigen kein grobes Verschulden am nachträglichen Bekanntwerden
trifft.

Kapitaleinkünfte sind grundsätzlich mit der Abgeltungsteuer von 25
% abgegolten und werden bei der Steuerfestsetzung nicht mehr berücksichtigt.
Allerdings kann der Steuerpflichtige eine sog. Günstigerprüfung beantragen: Die
Kapitaleinkünfte werden dann mit dem individuellen Steuersatz des
Steuerpflichtigen besteuert und im Steuerbescheid angesetzt; dafür wird die
einbehaltene Kapitalertragsteuer (sog. Abgeltungsteuer) angerechnet. Die
Günstigerprüfung ist bei einem niedrigen zu versteuernden Einkommen
sinnvoll.

Sachverhalt: Der Kläger erzielte
in den Jahren 2012 bis 2014 nur geringe Einkünfte aus freiberuflicher Tätigkeit
sowie Kapitaleinkünfte, von denen bereits eine Abgeltungsteuer von 25 %
einbehalten worden war. Er beantragte die Günstigerprüfung. Das Finanzamt
erließ am 26.1.2012 Steuerbescheide für die Streitjahre und setzte die
Einkommensteuer im Rahmen der Günstigerprüfung auf jeweils 0 € fest, da
die Einkünfte aus freiberuflicher Tätigkeit und aus Kapitalvermögen unter dem
Grundfreibetrag lagen. Zugleich wurde die einbehaltene Kapitalertragsteuer
angerechnet und erstattet.

Im Dezember 2014 erklärte der Kläger inländische und ausländische
Kapitaleinkünfte nach, für die Abgeltungsteuer oder ausländische Steuern
einbehalten worden waren. Diese Kapitaleinkünfte hätten im Rahmen der
Günstigerprüfung zu einer Steuerfestsetzung von mehr als 0 € und
damit zu einer höheren Steuer geführt; jedoch hätte sich aufgrund der
Anrechnung der einbehaltenen Steuern per Saldo eine Erstattung für den Kläger
ergeben. Das Finanzamt lehnte eine Änderung des Steuerbescheids ab, weil die
Berücksichtigung der nacherklärten Beträge insgesamt zu einer Steuererstattung
führen und den Kläger ein grobes Verschulden am nachträglichen Bekanntwerden
der weiteren Kapitaleinkünfte treffen würde.

Entscheidung: Der
Bundesfinanzhof (BFH) wies die hiergegen gerichtete Klage ab:

  • Eine Änderung wegen neuer Tatsachen ist nicht möglich, weil
    die nacherklärten Kapitaleinkünfte insgesamt zu einer niedrigeren Steuer führen
    und den Kläger ein grobes Verschulden am nachträglichen Bekanntwerden trifft.

  • Zwar führen die nacherklärten Kapitaleinkünfte isoliert
    betrachtet zu einer höheren Einkommensteuerfestsetzung, weil die
    Einkommensteuer von bislang 0 € auf einen höheren Betrag ansteigen
    würde. Auf das grobe Verschulden des Klägers käme es damit nicht an.

  • Allerdings müssen auch die anrechenbaren Steuern
    berücksichtigt werden, die bei der Günstigerprüfung angerechnet werden und im
    Ergebnis dazu führen, dass der Kläger trotz der höheren Einkommensteuer noch
    eine Erstattung erhält; dies betrifft sowohl die inländische Abgeltungsteuer
    als auch die ausländischen Steuern und EU-Quellensteuer.

  • Per Saldo führt dies zu einer niedrigeren Steuer, so dass die
    Änderung nur zulässig gewesen wäre, wenn den Kläger kein grobes Verschulden am
    nachträglichen Bekanntwerden getroffen hätte. Den Kläger traf aber ein grobes
    Verschulden daran, dass er die Kapitaleinkünfte erst nachträglich erklärt hat.

Hinweis: Zwar kommt es auf das
grobe Verschulden ausnahmsweise nicht an, wenn die nachträglich bekannt
gewordenen günstigen Tatsachen mit solchen Tatsachen in Zusammenhang stehen,
die zu einer höheren Steuer führen. Der BFH sieht aber in den Kapitaleinkünften
und der daraus resultierenden höheren Steuer keine derartigen Tatsachen, die zu
einer höheren Steuer führen, sondern gelangt aufgrund einer Gesamtbetrachtung
zu einer insgesamt niedrigeren Steuer.

Im Ergebnis wurde der Kläger so behandelt, als ob er nachträglich
Werbungskosten erklärt hätte. Dies ist sachgerecht, weil der Kläger bei einer
Änderung des Bescheids Steuern zurückerhalten und damit besser gestanden hätte
als ohne Änderung. Relevant wird dies aber nur im Rahmen der Günstigerprüfung,
weil ohne Günstigerprüfung die Kapitaleinkünfte im Steuerbescheid nicht
berücksichtigt werden und es bei der Abgeltungsteuer von 25 % bleibt.

Der BFH hat eine Klagebefugnis des Klägers bejaht, obwohl er streng
genommen eine Erhöhung der Einkommensteuer begehrt hat. Denn aufgrund der von
ihm erstrebten Anrechnung der einbehaltenen Steuern musste er zunächst eine
Erhöhung der Steuer durch Einbeziehung der Kapitaleinkünfte erreichen, damit
die Anrechnung möglich ist.

BFH, Urteil v. 25.3.2021 – VIII R 7/18; NWB

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