Kommt es deshalb zu einer Festsetzung von Nachzahlungszinsen bei
der Einkommensteuer, weil ein für die Einkommensteuerfestsetzung benötigter
Grundlagenbescheid wegen eines überlangen Erbscheinverfahrens erst nach vielen
Jahren erlassen wird, sind die Nachzahlungszinsen nicht wegen Unbilligkeit zu
erlassen. Denn der Steuerpflichtige hatte gleichwohl einen Liquiditäts- und
Zinsvorteil, der durch die Nachzahlungszinsen abgeschöpft wird.

Hintergrund: Nachzahlungszinsen
werden festgesetzt, wenn die Steuer erst nach Ablauf von 15 Monaten nach dem
Ende des Veranlagungszeitraums festgesetzt wird und sich aus der Festsetzung
eine Nachzahlung ergibt; diese Frist war in den letzten Jahren coronabedingt
verlängert worden.

Sachverhalt: Der Kläger wurde im
Oktober 2012 Miterbe des verstorbenen E. Es kam in der Folgezeit zu
langjährigen Streitigkeiten um die Wirksamkeit des Testaments des E und um die
Erbfolge. Erst im August 2018 wurde der Erbschein ausgestellt, in dem der
Kläger als Miterbe genannt wurde. Die Erbengemeinschaft gab nun
Feststellungserklärungen für die Jahre 2012 bis 2017 ab, die im August 2019 zu
entsprechenden Feststellungsbescheiden führten, in denen die Einkünfte der
Erbengemeinschaft festgestellt wurden. Das für den Kläger zuständige Finanzamt
erließ aufgrund der Feststellungsbescheide geänderte Einkommensteuerbescheide
für die Jahre 2012 bis 2017, die überwiegend zu Steuernachzahlungen führten. In
den Einkommensteuerbescheiden wurden ca. 30.000 € Nachzahlungszinsen
festgesetzt. Der Kläger beantragte den Erlass der Nachzahlungszinsen mit der
Begründung, dass ihn an der verspäteten Festsetzung der Einkommensteuer kein
Verschulden treffe. Das Finanzamt lehnte den Erlassantrag ab.

Entscheidung: Der
Bundesfinanzhof (BFH) wies die hiergegen gerichtete Klage ab:

  • Ein Erlass setzt eine Unbilligkeit aus
    persönlichen oder aus sachlichen Gründen
    voraus. Im
    Streitfall kam nur eine Unbilligkeit aus sachlichen Gründen in Betracht. Eine
    sachliche Unbilligkeit ist gegeben, wenn die Geltendmachung des Anspruchs des
    Finanzamts mit dem Gesetzeszweck nicht zu rechtfertigen ist und den Wertungen
    des Gesetzes zuwiderläuft.

  • Diese Voraussetzung war im Streitfall nicht erfüllt. Zwar kam
    es ohne Verschulden des Klägers zu verspäteten geänderten
    Einkommensteuerfestsetzungen für die Jahre 2012 bis 2017, die zu Nachzahlungen
    führten. Der Kläger hat hierdurch jedoch einen Liquiditäts- bzw. Zinsvorteil
    erlangt.

  • Der Kläger hätte die verspätete Festsetzung grundsätzlich
    dadurch verhindern können, dass er seine zu erwartenden Beteiligungseinkünfte
    aus der Erbengemeinschaft schätzt und in den Einkommensteuererklärungen angibt.
    Dies hätte dann zu einer zügigen Einkommensteuerfestsetzung für die Jahre 2012
    bis 2017 geführt, weil das Finanzamt die zu erwartenden Beteiligungseinkünfte
    schon vor dem Erlass der Feststellungsbescheide im Schätzungswege hätte
    ansetzen können.

  • Sofern dem Kläger eine sachgerechte Schätzung nicht möglich
    gewesen sein sollte, würde dies keinen Erlass rechtfertigen. Denn der
    Gesetzgeber durfte im Wege der Typisierung davon ausgehen, dass
    Feststellungsbescheide grundsätzlich frühzeitig ergehen.

Hinweise: Anders wäre die
Rechtslage gewesen, wenn es sich bei dem erteilten Erbschein um ein sog.
rückwirkendes Ereignis gehandelt hätte. In diesem Fall hätte der Zinslauf erst
15 Monate nach Ablauf des Jahres begonnen, in dem das rückwirkende Ereignis
eingetreten ist. Da der Erbschein erst im Jahr 2018 ausgestellt worden ist,
hätte der Zinslauf also erst am 1.4.2020 begonnen. Dies hätte zu einem Wegfall
der Nachzahlungszinsen geführt, so dass ein Erlassantrag nicht nötig geworden
wäre.

Die Entscheidung, ob die Ausstellung des Erbscheins ein
rückwirkendes Ereignis ist, hätte aber im Verfahren über die
Feststellungsbescheide für die Erbengemeinschaft getroffen werden müssen, ggf.
durch den Erlass eines sog. Ergänzungsbescheids. Der BFH lässt zwar offen, ob
die Ausstellung des Erbscheins ein rückwirkendes Ereignis ist, deutet aber an,
dass kein rückwirkendes Ereignis vorliegt, weil die Miterbenstellung nicht vom
Erbschein abhängig ist, sondern sich danach richtet, wer tatsächlich Erbe ist;
der Erbschein begründet also nur eine starke Vermutung, bindet das Finanzamt
aber nicht.

Quelle: BFH, Urteil vom 9.4.2025 – X R 12/21; NWB

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