Ein Steuerpflichtiger hat keinen Anspruch auf Einsicht in die
Unterlagen für die amtliche Richtsatzsammlung, z.B. in die Protokolle der
vertraulichen Beratungen der Finanzverwaltung bei der Erstellung der
Richtsatzsammlung. Ein derartiger Anspruch, der sich aus den
Informationsfreiheitsgesetzen der Bundesländer ergeben könnte, wird durch ein
Bundesgesetz ausgeschlossen, wonach die Vertraulichkeit der Sitzung zu wahren
ist, wenn nicht im Einzelfall einstimmig etwas anderes beschlossen
wurde.
Hintergrund: In den
Bundesländern gelten sog. Informationsfreiheitsgesetze, die den Bürgern und
insbesondere Journalisten grundsätzlich die Möglichkeit geben, in behördliche
Unterlagen Einsicht zu nehmen. Im Steuerrecht gibt es eine Regelung, nach der
das Bundesministerium der Finanzen (BMF) mit Zustimmung der obersten
Finanzbehörden der Bundesländer einheitliche Verwaltungsgrundsätze bestimmen
kann. Die Vertraulichkeit der entsprechenden Sitzungen ist jedoch zu wahren,
wenn nicht im Einzelfall einstimmig etwas anderes beschlossen wurde.
Sachverhalt: Der Kläger
beantragte beim Finanzministerium Mecklenburg-Vorpommern eine Auskunft zur
Richtsatzsammlung. Er wollte wissen, bei wie vielen Betrieben in
Mecklenburg-Vorpommern im Zeitraum 2016 bis 2020 eine Außenprüfung mit dem Ziel
durchgeführt wurde, die Prüfungsdaten in die Richtsatzsammlung einfließen zu
lassen. Ferner sollte das Finanzministerium Auskunft erteilen, nach welchen
Kriterien die Betriebe ausgewählt werden und ob es hierfür Vorgaben gibt. Der
Kläger wollte außerdem wissen, ob die Ergebnisse einer Außenprüfung auch dann
in die Richtsatzsammlung eingehen, wenn die Ergebnisse auf einer Schätzung
beruhen. Das Finanzministerium beantwortete die Anfrage nur mit allgemeinen
Auskünften über die Entstehung, Bekanntgabe und Anwendung der
Richtsatzsammlung.
Entscheidung: Der
Bundesfinanzhof (BFH) wies die auf weitergehende Auskunft gerichtete Klage ab:
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Zwar sehen die Informationsfreiheitsgesetze der einzelnen
Bundesländer wie z.B. in Mecklenburg-Vorpommern einen grundsätzlichen Anspruch
des Bürgers auf Auskunft über den Inhalt von Behördenakten vor. Dieser Anspruch
wird im Steuerrecht allerdings durch eine spezielle Regelung des
Bundesgesetzgebers ausgeschlossen. -
Nach dieser Regelung kann das BMF mit Zustimmung der obersten
Finanzbehörden der Bundesländer einheitliche Verwaltungsgrundsätze, zu denen
auch die sog. Richtsatzsammlung gehört, bestimmen. Jedoch ist die
Vertraulichkeit der entsprechenden Sitzungen zu wahren, sofern nicht im
Einzelfall einstimmig etwas anderes beschlossen wurde. -
Die Regelung soll einen freien, vertrauensvollen Austausch
aller beteiligten Finanzbehörden ermöglichen, die an der Erstellung der
Richtsatzsammlung mitwirken. Die Vertraulichkeit wäre nicht gewährleistet, wenn
das BMF anschließend Einsicht in die entsprechenden Unterlagen gewähren müsste.
Hinweise: Die Richtsatzsammlung
wird für Hinzuschätzungen verwendet. Sie enthält statistische Kennzahlen der
einzelnen Branchen (z.B. Restaurants) zum Rohgewinnaufschlagsatz, zum Rohgewinn
oder auch zum Reingewinn.
Auch wenn der Kläger keine detaillierte Auskunft erhielt, wird sein
Rechtsschutz, der verfassungsrechtlich geschützt ist, nicht eingeschränkt. Denn
der Kläger kann gegen die Änderungsbescheide, die auf Grund der Außenprüfung
ergehen und in denen die Ergebnisse der Richtsatzsammlung verwertet wurden,
Einspruch einlegen und klagen.
Eine Auskunft, bei der die Unterlagen teilweise geschwärzt werden,
kam nicht in Betracht, da der Grundsatz der Vertraulichkeit umfassend gilt, so
dass eine nur zu Teilen gewährte Auskunft nicht zulässig ist.
Quelle: BFH, Urteil vom 9.5.2025 – IX R 1/24;
NWB