Aus der europäischen Datenschutz-Grundverordnung ergibt sich kein
Anspruch des Steuerpflichtigen auf Einsicht in seine Einkommensteuerakten. Die
Datenschutz-Grundverordnung gilt nämlich insbesondere nur für die Umsatzsteuer,
die europäisch harmonisiert ist, nicht aber für die Einkommensteuer.
Hintergrund: Der Gesetzgeber hat
den Steuerzahlern kein ausdrückliches Recht auf Akteneinsicht im
Veranlagungsverfahren eingeräumt. Nach der seit 2018 gültigen europäischen
Datenschutz-Grundverordnung gibt es aber einen Anspruch des Betroffenen, eine
Bestätigung darüber zu verlangen, ob personenbezogene Daten erhoben werden.
Sachverhalt: Die Kläger sind
Eheleute, deren Einkommensteuerbescheid bestandskräftig geworden war. Sie
wollten nun Akteneinsicht beim Finanzamt in ihre Einkommensteuerakten nehmen,
nachdem sie einen neuen Steuerberater beauftragt hatten. Dabei stützten sie
sich auf die Datenschutz-Grundverordnung. Das Finanzamt lehnte den Antrag ab,
weil das Steuergeheimnis einer Akteneinsicht entgegenstehe.
Entscheidung: Das
Niedersächsische Finanzgericht (FG) wies die Klage ab:
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Die Datenschutz-Grundverordnung gilt im Steuerrecht nur für
solche Steuerarten, die europäisch harmonisiert werden, also europäisch
aufeinander abgestimmt bzw. angeglichen werden wie z.B. die
Umsatzsteuer. -
Die Datenschutz-Grundverordnung gilt jedoch nicht für nicht
harmonisierte Steuern wie die Einkommensteuer. Daher lässt sich aus der
Datenschutz-Grundverordnung kein Akteneinsichtsrecht begründen. -
Zwar ist die Finanzverwaltung der Auffassung, dass die
Datenschutz-Grundverordnung auf das allgemeine Steuerverfahren anwendbar ist
und nur im Steuerstrafverfahren und Steuerbußgeldverfahren ausgeschlossen ist.
Die Finanzverwaltung ist aber nicht befugt, den Anwendungsbereich der
Datenschutz-Grundverordnung auf nicht harmonisierte Steuern wie die
Einkommensteuer auszudehnen.
Hinweise: Das Finanzgericht hat
die Revision zum BFH zugelassen, so dass der BFH den Anwendungsbereich der
Datenschutz-Grundverordnung höchstrichterlich klären wird.
Auch ohne Anspruch auf Akteneinsicht besteht zumindest ein Anspruch
auf ermessensfehlerfreie Entscheidung über den Akteneinsichtsantrag. Im
Streitfall dürfte es fehlerhaft gewesen sein, den Antrag mit einem Hinweis auf
das Steuergeheimnis, das den vorherigen Steuerberater schütze, abzulehnen. Denn
beim Steuergeheimnis geht es um die finanziellen und persönlichen Verhältnisse
eines Steuerpflichtigen; aus der Einkommensteuerakte der Kläger ergeben sich
aber keine Anhaltspunkte zu den finanziellen oder persönlichen Verhältnissen
des bisherigen Steuerberaters.
Der deutsche Gesetzgeber sieht ein Akteneinsichtsrecht erst im
Klageverfahren ausdrücklich vor.
Niedersächsisches FG, Urteil vom 28.1.2020 – 12 K 213/19, Rev. beim
BFH: VII R 12/20; NWB