Unterlässt der Beschenkte vorsätzlich eine Anzeige über die an ihn
erfolgte Schenkung, sind gegen ihn Hinterziehungszinsen festzusetzen. Der
Zinslauf für die Hinterziehungszinsen beginnt mit dem Tag, an dem das Finanzamt
bei erfolgter Anzeige der Schenkung und Abgabe der Schenkungsteuererklärung die
Schenkungsteuer voraussichtlich festgesetzt hätte. Hierfür kann auf die
durchschnittliche Bearbeitungsdauer des zuständigen Finanzamts für
Schenkungsteuererklärungen zurückgegriffen werden.

Hintergrund: Schenkungen sind
bei dem für die Schenkungsteuer zuständigen Finanzamt anzuzeigen. Wird die
Schenkung nicht von einem Notar beurkundet, beträgt die Frist drei Monate.
Anzeigepflichtig sind der Schenker und der Beschenkte.

Hinterzogene Steuern sind mit dem Eintritt der Verkürzung (d.h.
Hinterziehung) zu verzinsen; der Zinszeitraum beginnt also schon vor der
Festsetzung.

Sachverhalt: Der Klägerin wurden
in den Jahren 2007 und 2008 Vermögen von ihrer Mutter geschenkt, und zwar ein
Bankkonto am 17.4.2007, ein weiteres Bankkonto am 19.12.2007 und ein Grundstück
in der Schweiz am 17.7.2008. Weder die Klägerin noch ihre Mutter zeigten die
Schenkungen beim zuständigen Finanzamt an. Erst im März 2010 erstattete die
Klägerin eine Selbstanzeige. Im April 2013 setzte das Finanzamt gegenüber der
Klägerin Schenkungsteuer für die Schenkungen fest, nachdem die Steuerfahndung
ermittelt hatte. Außerdem setzte das Finanzamt Hinterziehungszinsen gegenüber
der Klägerin fest, und zwar für die zweite Schenkung vom 19.12.2007 ab dem
20.11.2008 und für die dritte Schenkung vom 17.7.2008 ab dem 18.6.2009. Dabei
ging das Finanzamt von einer Anzeigefrist von drei Monaten und von einer
durchschnittlichen Bearbeitungsdauer von 7,1 Monaten aus und rundete die Summe
auf 11 Monate auf. Die Klägerin wandte sich gegen die Festsetzung der
Hinterziehungszinsen. Das Finanzgericht (FG) in der ersten Instanz erhöhte den
Zeitraum bis zum Beginn der Verzinsung von 11 Monate auf 12 Monate, d.h. auf
den 20.12.2008 und auf den 18.7.2009, weil es noch 1 Monat für die Abgabe der
Schenkungsteuererklärung hinzurechnete.

Entscheidung: Der
Bundesfinanzhof (BFH) wies die hiergegen gerichtete Klage ab:

  • Der Lauf der Hinterziehungszinsen beginnt mit der Vollendung
    einer Steuerhinterziehung. Wird die Steuerhinterziehung durch Unterlassen
    begangen, weil keine Steuererklärung oder keine Anzeige abgegeben wird, so wird
    die Steuerhinterziehung bei einer laufend veranlagten Steuer wie z.B. der
    Einkommensteuer erst dann vollendet, wenn das zuständige Finanzamt die
    Veranlagungsarbeiten für den konkreten Zeitraum im Wesentlichen abgeschlossen
    hat. Handelt es sich hingegen um eine anlassbezogene Steuer wie die
    Schenkungsteuer, ist eine Feststellung, wann die Bearbeitung der
    Schenkungsteuererklärungen im Wesentlichen abgeschlossen ist, nicht möglich. Es
    kommt daher darauf an, wann das Finanzamt im konkreten Fall bei ordnungsgemäßer
    Schenkungsanzeige und Abgabe der Steuererklärung die Steuer festgesetzt hätte;
    hierfür kann auf die durchschnittliche Bearbeitungszeit beim Finanzamt
    abgestellt werden.

  • Im Streitfall hat das Finanzamt die Dauer nicht zu kurz
    bestimmt. Denn es hat die dreimonatige Anzeigefrist um eine einmonatige
    Abgabefrist für die Steuererklärung ergänzt und die durchschnittliche
    Bearbeitungsdauer des Finanzamts für Schenkungsteuererklärungen von 7,1 Monaten
    hinzugerechnet und die sich danach ergebende Summe von 11,1 Monaten auf 12
    Monate aufgerundet. Anhaltspunkte dafür, dass bei pünktlicher Anzeige und
    Abgabe der Steuererklärung die Schenkungsteuer erst nach einem längeren
    Zeitraum als 12 Monaten festgesetzt worden wäre, liegen nicht vor.

Hinweise: Damit begann der
Verzinsungszeitraum für die Schenkung vom 19.12.2007 ab dem 20.12.2008 und für
die Schenkung vom 17.7.2008 ab dem 18.7.2009. Seit dem 20.12.2008 und seit dem
18.7.2009 sind damit Hinterziehungszinsen von 6 % jährlich festzusetzen. Der
Verzinsungszeitraum endet mit der Bezahlung der hinterzogenen Schenkungsteuern.
Für die Schenkung vom 17.4.2007 wurden keine Hinterziehungszinsen festgesetzt.
Der Grund hierfür dürfte sein, dass diese Schenkung unter dem Freibetrag von
400.000 € lag und daher zu keiner Schenkungsteuer führte.

Der BFH stellt nicht auf die tatsächliche Dauer der Festsetzung ab,
weil gerade bei einer Steuerhinterziehung häufig noch längere Ermittlungen
erforderlich werden, die zu einer späten Festsetzung führen. Ebenso lehnt es
der BFH ab, nach dem Grundsatz „Im Zweifel für den Angeklagten“
von dem spätestmöglichen Beginn der Zinsfestsetzung auszugehen; denn dieser
Grundsatz greift nur bei Zweifeln über den tatsächlichen Geschehensablauf. Bei
einer unterlassenen Anzeige geht es aber um einen fiktiven Geschehensablauf.

Der BFH ließ offen, ob der Verzinsungszeitraum nicht schon mit dem
Zeitpunkt beginnt, zu dem die frühestmögliche Bekanntgabe der
Schenkungsteuerbescheide möglich gewesen wäre. Diese Auffassung vertritt
nämlich der Bundesgerichtshof (BGH), der für die strafrechtliche Beurteilung
von Steuerhinterziehungen zuständig ist. Der BGH kommt daher zu einem
viermonatigen Zeitraum, der sich aus der dreimonatigen Anzeigefrist und der
einmonatigen Abgabefrist für die Steuererklärung zusammensetzt. Der BFH konnte
offenlassen, ob er sich dem BGH anschließt, weil die Auffassung des BGH zu
einer Verböserung geführt hätte, die im Finanzgerichtsverfahren unzulässig ist.

Eine Anzeigepflicht des Schenkers und des Beschenkten besteht
nicht, wenn die Schenkung notariell beglaubigt worden ist. Anzeigepflichtig ist
dann der Notar, der die Schenkung unverzüglich dem für die Schenkungsteuer
zuständigen Finanzamt mitteilen muss. Zwar wird bei der Grundstücksschenkung am
17.7.2008 ein Notar beteiligt gewesen sein. Da es sich aber um ein
schweizerisches Grundstück gehandelt hat, könnte es sich um einen
schweizerischen Notar gehandelt haben, für den die Anzeigepflicht nach
deutschem Recht nicht gilt.

Die Selbstanzeige verhindert zwar eine Bestrafung wegen
Steuerhinterziehung. Sie verhindert aber nicht die Festsetzung von
Hinterziehungszinsen.

BFH, Urteil v. 28.8.2019 – II R 7/17; NWB

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