Zwar kann der Steuerpflichtige einen niedrigeren gemeinen Wert
eines Grundstücks durch ein Gutachten nachweisen. Der Gutachter muss aber die
zutreffende Verordnung für die Ermittlung des Werts anwenden; dies ist
diejenige Verordnung, die am Bewertungsstichtag gültig war. Es kommt also nicht
auf die Verordnung an, die bei Erstellung des Gutachtens gültig ist.

Hintergrund: Für Zwecke der
Erbschaft- und Schenkungsteuer muss der Wert eines vererbten oder verschenkten
Grundstücks ermittelt werden. Den vom Finanzamt nach den steuerlichen
Bewertungsvorschriften ermittelten Wert muss der Steuerpflichtige nicht
akzeptieren, sondern kann einen niedrigeren gemeinen Wert eines Grundstücks
durch ein Sachverständigengutachten nachweisen. Der Gutachter orientiert sich
dann am Baugesetzbuch und an den Verordnungen zur Ermittlung des Werts.

Sachverhalt: Der Kläger erbte am
1.6.2009 einen Miteigentumsanteil an einem Grundstück. Das Finanzamt ermittelte
einen Grundbesitzwert von ca. 4,8 Mio. € und legte dabei einen
Bodenrichtwert von 5.500 €/m² sowie einen Liegenschaftszinssatz von 5,5
% zugrunde. Der Kläger ließ nacheinander zwei Gutachten erstellen, zuletzt im
Jahr 2017 während des Klageverfahrens vor dem Finanzgericht (FG). Dieser zweite
Gutachter gelangte zu einem Verkehrswert von 1,9 Mio. € und stützte sich
auf die Immobilienwertermittlungsverordnung, die seit dem 1.7.2010 galt. Das FG
wies die Klage ab; hiergegen legte der Kläger Revision ein.

Entscheidung: Der
Bundesfinanzhof (BFH) hob das Urteil des FG auf und verwies die Sache zur
weiteren Aufklärung an das FG zurück:

  • Soll der niedrigere gemeine Wert durch ein
    Sachverständigengutachten nachgewiesen werden, muss das Gutachten ordnungsgemäß
    erstellt werden. Hierzu gehört u.a., dass der Gutachter die zutreffende
    Verordnung zur Ermittlung des Werts zugrunde liegt.

  • Im Streitfall hat der Gutachter zu Unrecht die
    Immobilienwertermittlungsverordnung zugrunde gelegt; denn diese galt erst seit
    dem 1.7.2010. Zwar ist das Gutachten im Jahr 2017 erstellt worden, in dem die
    Immobilienwertermittlungsverordnung bereits galt. Es kommt aber auf den
    Zeitpunkt der Bewertung an; dies war der 1.6.2009, als der Kläger erbte. Zu
    diesem Zeitpunkt galt noch die – ähnlich klingende –
    Wertermittlungsverordnung. Der Gutachter hätte daher die
    Wertermittlungsverordnung anwenden müssen.

  • Das FG muss nun dem Kläger Gelegenheit geben, das Gutachten
    nachbessern zu lassen, indem der Gutachter die Wertermittlungsverordnung
    anwendet.

Hinweise: Im Streitfall geht es
zudem auch noch um den richtigen Bodenrichtwert und um den
Liegenschaftszinssatz. Der Bodenrichtwert für den an der Straße liegenden Teil
des Grundstücks betrug zwar 5.500 €/m² (sog. Straßenwert); der
dahinterliegende Teil des Grundstücks hatte aber einen deutlich niedrigeren
Bodenrichtwert von nur 500 €/m² (sog. Platzwert). Hier muss nun das FG
entscheiden, in welchem Umfang das Grundstück jeweils dem Straßen- oder
Platzwert zuzuordnen ist.

Der Liegenschaftszinssatz ist mit 5,5 % anzusetzen. Geeignete
Liegenschaftszinssätze zum Bewertungszeitpunkt, d.h. zum 1.6.2009, sind vom
Gutachterausschuss in Berlin, wo das Grundstück lag, nicht veröffentlicht
worden. Daher gilt der gesetzliche Liegenschaftszinssatz, der sich bei einem
Grundstück, dessen gewerblicher Anteil bis zu 50 % beträgt, auf 5,5 % beläuft.
Die Liegenschaftszinssätze 2012 können nicht auf den 1.6.2009 angewendet
werden.

BFH, Urteil vom 16.9.2019 – II R 1/18; NWB

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