Zwar wird die Grunderwerbsteuer auf Antrag aufgehoben, wenn der
Kaufvertrag über die Immobilie rückgängig gemacht wird. Nach Ablauf von zwei
Jahren gilt dies aber nur dann, wenn der Vertrag von einem der beiden
Vertragspartner nicht erfüllt wird und der andere Vertragspartner deswegen
einen durchsetzbaren Rechtsanspruch auf Rückgängigmachung des
Grundstücksgeschäfts hat. Setzt der Kaufvertrag einen „schweren“
Mangel für die Rückgängigmachung voraus, so erfordert dies bei einer geltend
gemachten Wohnflächendifferenz eine Abweichung von mehr als 10 % von der
vereinbarten Wohnfläche.
Hintergrund: Grunderwerbsteuer
entsteht mit dem Abschluss des Grundstückskaufvertrags. Wird der Vertrag
innerhalb von zwei Jahren rückgängig gemacht, wird auf Antrag die
Grunderwerbsteuer aufgehoben. Nach Ablauf von zwei Jahren verlangt der
Gesetzgeber aber eine Rückabwicklung des Vertrags wegen Nichterfüllung von
Vertragsbedingungen.
Sachverhalt: Die Klägerin erwarb
mit Kaufvertrag aus dem August 2006 eine noch zu errichtende Eigentumswohnung.
Im Kaufvertrag war die Fläche der Wohnung mit „ca. 270 qm“
angegeben. Zugleich verwies der Kaufvertrag auf die Teilungserklärung, in der
für die Wohnung eine Fläche von 256 qm angegeben war und nach der sich die
Fläche nach der sog. Zweite Berechnungsverordnung richtete. Weiterhin bestand
nach dem Kaufvertrag das Recht, den Kaufvertrag rückgängig zu machen,
allerdings nur im Fall eines schweren und unbehebbaren Mangels. Das Finanzamt
erließ einen Grunderwerbsteuerbescheid. Im Dezember 2009 machten die Klägerin
und die Verkäuferin den Kaufvertrag aufgrund eines Gewährleistungsanspruchs der
Klägerin rückgängig; nach einem von der Klägerin in Auftrag gegebenen Gutachten
habe die Wohnfläche lediglich 218 qm betragen. Das Finanzamt lehnte den Antrag
der Klägerin, die Grunderwerbsteuer aufzuheben, ab.
Entscheidung: Der
Bundesfinanzhof (BFH) wies die Klage ab:
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Die Rückgängigmachung des Kaufvertrags ist erst im Dezember
2009 und damit nach Ablauf von mehr als zwei Jahren erfolgt. Die
Grunderwerbsteuer kann daher nur dann aufgehoben werden, wenn die Klägerin
einen durchsetzbaren Rechtsanspruch auf
Rückabwicklung des Kaufvertrags gegen die Verkäuferin hatte;
erforderlich war, dass sie ihren Anspruch einseitig und gegen den Willen der
Verkäuferin durchsetzen konnte. -
Ein Rückabwicklungsanspruch der Klägerin konnte dem
Kaufvertrag zufolge nur bei einem „schweren“ Mangel bestehen. Geht
es um die Abweichung von der vereinbarten Wohnfläche, besteht ein schwerer
Mangel dann, wenn die tatsächliche Wohnfläche um mehr als 10 % kleiner ist als
vereinbart. Denn auch im Mietrecht gilt eine Minderfläche von mehr als 10 % als
Erheblichkeitsschwelle und berechtigt den Mieter zur Mietminderung; beim Erwerb
einer vermieteten Wohnung müsste der Käufer also eine ggf. jahrzehntelange
Ertragsminderung hinnehmen, wenn die Wohnung um mehr als 10 % kleiner ist als
vereinbart. -
Im Streitfall war eine Wohnfläche von 256 qm vereinbart. Dies
war die exakte Größe, die in der Teilungserklärung angegeben war, auf die
wiederum der Kaufvertrag Bezug nahm. Die exakte Größe von 256 qm ist
maßgeblich, weil die andere angegebene Größe von 270 qm nur als ungefähre Größe
angegeben war. -
Da die Teilungserklärung auf die sog. Zweite
Berechnungsverordnung Bezug nahm, war die tatsächliche Wohnfläche nach dieser
Verordnung zu ermitteln; diese Berechnung ergab eine tatsächliche Fläche von
277 qm, die größer war als 256 qm. Damit lag kein schwerer Mangel vor, der zu
einem Rücktritt berechtigt hätte.
Hinweise: Eine Flächendifferenz
von bis zu 10 % hätte im Streitfall deshalb nicht zu einem Rücktritt
berechtigt, weil nach dem Kaufvertrag nur ein „schwerer“ Mangel zu
einem Rücktritt berechtigte. Der Grund, weshalb die Klägerin erst nach mehr als
zwei Jahren einen Mangel geltend machte, lag möglicherweise darin, dass ihr
Bruder der Geschäftsführer der Veräußerin war.
Eine Rückgängigmachung des Kaufvertrags innerhalb von zwei Jahren
führt auf Antrag grundsätzlich zur Aufhebung der Grunderwerbsteuer.
Problematisch wird es, wenn die Rückgängigmachung erst nach Ablauf der zwei
Jahre erfolgt: In diesem Fall muss einer der beiden Vertragspartner einen
gesetzlichen oder vertraglichen durchsetzbaren Rechtsanspruch auf
Rückgängigmachung wegen Nichterfüllung von Vertragsbedingungen haben. Es genügt
nicht, wenn die Kaufvertragsparteien irrtümlich von einem derartigen
Rechtsanspruch ausgehen. Umgekehrt ist es unschädlich, wenn die Rückabwicklung
einvernehmlich erfolgt, sofern der durchsetzbare Rechtsanspruch auf
Rückgängigmachung besteht.
BFH, Urteil v. 19.2.2020 – II R 4/18; NWB