Können Arbeitnehmer eines Kfz-Herstellers verbilligt Neuwagen
erwerben und diese im Versandzentrum oder im Werk abholen, so gehört zum
Arbeitslohn nur die Preisdifferenz aus dem verbilligten Erwerb, nicht aber ein
Vorteil aus einer Überführungsleistung; denn eine Überführung ist tatsächlich
nicht erfolgt.
Hintergrund: Zum Arbeitslohn
gehören auch geldwerte Vorteile aus dem verbilligten Verkauf von Waren, die der
Arbeitgeber herstellt, z.B. aus dem Kauf von Neuwagen durch Arbeitnehmer eines
Kfz-Herstellers zum ermäßigten Preis.
Sachverhalt: Die Klägerin war
ein Automobilhersteller. Die Arbeitnehmer konnten Neuwagen zu einem
verbilligten Preis erwerben; der sich hieraus ergebende geldwerte Vorteil wurde
der Lohnsteuer unterworfen. Hinsichtlich der Übergabe der Neuwagen gab es für
die Arbeitnehmer zwei Möglichkeiten:
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Variante 1: Der Neuwagen
wurde an einen vom Arbeitnehmer ausgesuchten Kfz-Händler ausgeliefert. Hierfür
wurden dem Arbeitnehmer vergünstigte Überführungskosten berechnet; der
geldwerte Vorteil hieraus wurde ebenfalls der Lohnsteuer
unterworfen. -
Variante 2: Der Arbeitnehmer
konnte sich den Neuwagen im Werk oder im Versandzentrum abholen. In diesem Fall
berechnete die Klägerin keine Überführungskosten. Ein fremder Endkunde, d.h.
ein Nicht-Arbeitnehmer hätte in diesem Fall aber Überführungskosten bezahlen
müssen, wenn auch niedrigere als bei Variante 1. Die Klägerin führte insoweit
keine Lohnsteuer bezüglich der Überführung ab.
Das Finanzamt beanstandete die Nichtabführung von Lohnsteuer in der
Variante 2. Es berechnete die Differenz zwischen den Überführungskosten, die
ein fremder Endkunde hätte bezahlen müssen, und den vergünstigten
Überführungskosten laut Variante 1 und gelangte so zu einem geldwerten Vorteil.
Für die sich hieraus ergebende Lohnsteuer nahm es die Klägerin in Haftung.
Entscheidung: Der
Bundesfinanzhof (BFH) gab der hiergegen gerichteten Klage statt:
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Jede Leistung des Arbeitgebers für seinen Arbeitnehmer ist
gesondert zu prüfen. So hat die Klägerin zunächst Neuwagen verbilligt an ihre
Arbeitnehmer verkauft. Darüber hinaus kann sie noch eine weitere Leistung in
Gestalt einer Überführung erbracht haben. Dies war bei der Übergabe gemäß
Variante 1, d.h. durch Überführung des Neuwagens an einen vom Arbeitnehmer
ausgesuchten Kfz-Händler, der Fall. Hier kam es in Höhe der Differenz zwischen
den vergünstigten Überführungskosten, die der Arbeitnehmer zahlen musste, und
den Überführungskosten, die ein fremder Endkunde hätte zahlen müssen, zu einem
geldwerten Vorteil, der von der Klägerin der Lohnsteuer unterworfen wurde und
daher auch nicht streitig war. -
Bei der Übergabe gemäß Variante 2 kam es nicht zu einem
geldwerten Vorteil. Denn es ist tatsächlich keine Überführung an den
Arbeitnehmer oder an einen von ihm ausgesuchten Kfz-Händler erfolgt. Vielmehr
wurde der jeweilige Neuwagen vom Arbeitnehmer im Werk oder im zentralen
Versandzentrum abgeholt. Die Überführung des Neuwagens vom Werk in das
Versandzentrum löste keine Überführungskosten im steuerlichen Sinne aus, weil
die hierdurch verursachten Kosten zu den Herstellungskosten des Neuwagens
gehören und damit in den Endpreis eingehen, der wiederum für die Ermittlung des
geldwerten Vorteils aus dem verbilligten Verkauf des Neuwagens maßgeblich ist.
Hinweise: Unbeachtlich war, dass
ein fremder Endkunde bei Abholung seines Neuwagens im Versandzentrum
Überführungskosten hätte zahlen müssen, die allerdings geringer gewesen wären
als die Überführungskosten bei Auslieferung an den Kfz-Händler, bei dem der
fremde Endkunde den Neuwagen bestellt hat. Dem BFH zufolge würde der fremde
Endkunde die Überführungskosten für eine zusätzliche Leistung bezahlen. Diese
Auffassung ist nicht ganz unproblematisch, weil auch an einen fremden Endkunden
keine Überführung erfolgt wäre.
Der Klageerfolg bezieht sich nur auf die vermeintliche Begünstigung
bei den Überführungskosten. Der Preisvorteil aus dem verbilligten
Neuwagenverkauf an die Arbeitnehmer ist ebenso lohnsteuerpflichtig wie ein
Preisvorteil bei einer tatsächlich erfolgten Überführung des Neuwagens an einen
vom Arbeitnehmer ausgesuchten Kfz-Händler.
BFH, Urteil v. 16.1.2020 – VI R 31/17, NWB