Das für verfassungswidrig erklärte Erbschaftsteuerrecht 2009 gilt
nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) für Schenkungen
und Erbfälle bis zum 30.6.2016 fort. Aufgrund dieser Weitergeltungsanordnung
ist das Gesetz in diesem Zeitraum regulär anzuwenden und nicht zugunsten der
Steuerpflichtigen erweitert oder einschränkend auszulegen. Auch kommt eine
erneute Vorlage an das BVerfG nicht in Betracht.

Hintergrund: Das BVerfG hatte
Ende 2014 das seit 2009 geltende Erbschaftsteuerrecht, das auch für Schenkungen
gilt, als verfassungswidrig angesehen und seine Fortgeltung bis zum 30.6.2016
angeordnet. Seit dem 1.7.2016 gilt ein neues Erbschaftsteuergesetz. Nach beiden
Gesetzen sind Grundstücke, die verpachtet bzw. vermietet werden, grundsätzlich
kein begünstigtes Betriebsvermögen, das zu 85 % bzw. 100 % steuerfrei
bleibt. Nach dem Erbschaftsteuerrecht 2009 war aber ein Betrieb, der bis zu 50
% Verwaltungsvermögen wie z.B. verpachtete Grundstücke enthielt, insgesamt
steuerlich begünstigt. Seit dem 1.7.2016 ist dies nicht mehr der Fall, weil
jedes verpachtete Grundstück vom Wert des Betriebs abgezogen wird.

Sachverhalt: Die Kläger sind die
Neffen des A, der ein Einzelunternehmen betrieben hatte und dieses mit Ausnahme
der Betriebsgrundstücke Anfang 2001 auf die X-GmbH übertrug. An der X-GmbH war
der A mit ca. 1 % beteiligt und die beiden Kläger mit jeweils ca. 49,5 %. Seit
2001 verpachtete der A seine früheren Betriebsgrundstücke an die X-GmbH. Am
30.7.2012 übertrug A seine Grundstücke auf die Kläger gegen eine lebenslange
Versorgungsrente von 6.000 € monatlich. Das Finanzamt sah hierin eine
Schenkung und erkannte die Steuerfreiheit für Betriebsvermögen nicht an, weil
die Grundstücke nicht eigenbetrieblich genutzt, sondern verpachtet worden sind.
Die Kläger wandten hiergegen ein, dass das in ihrem Fall angewendete
Erbschaftsteuergesetz 2009 verfassungswidrig sei.

Entscheidung: Der
Bundesfinanzhof (BFH) wies die Klage ab:

  • Die Übertragung der Grundstücke auf die Kläger im Jahr 2012
    war eine Schenkung. Diese Schenkung umfasste aber nicht steuerlich begünstigtes
    Betriebsvermögen, das zu mindestens 85 % steuerfrei bleibt, sondern sog.
    Verwaltungsvermögen, das weder nach dem Erbschaftsteuergesetz 2009 noch nach
    dem Erbschaftsteuergesetz 2016 steuerlich begünstigt ist.

  • Zwar war es nach dem Erbschaftsteuergesetz 2009 unschädlich,
    wenn das Betriebsvermögen bis zu 50 % aus Verwaltungsvermögen, z.B.
    verpachteten Grundstücken, besteht. Aber auch diese Grenze wurde im Streitfall
    überschritten, da der Verpachtungsbetrieb des A nur aus Verwaltungsvermögen
    bestand.

  • Bei den Grundstücken handelte es sich nicht um Immobilien, die
    im Rahmen einer Betriebsaufspaltung verpachtet wurden und deshalb ausnahmsweise
    als begünstigtes Betriebsvermögen angesehen werden. Für eine
    Betriebsaufspaltung wäre erforderlich gewesen, dass A in der X-GmbH seinen
    geschäftlichen Willen hätte durchsetzen können; A war aber mit lediglich 0,9 %
    an der X-GmbH beteiligt.

  • Das Erbschaftsteuergesetz 2009 ist im Streitfall anwendbar,
    obwohl es vom BVerfG als verfassungswidrig angesehen worden ist; denn das
    BVerfG hat die Weitergeltung des Gesetzes bis zum 30.6.2016 angeordnet. Eine
    erneute Vorlage an das BVerfG ist nicht zulässig. Die vom BVerfG festgestellte
    Verfassungswidrigkeit rechtfertigt es auch nicht, das Gesetz weiter oder enger
    auszulegen; dies würde nämlich die vom BVerfG angeordnete
    Weitergeltungsanordnung unterlaufen.

Hinweise: Es gibt sowohl nach
der seit 2009 als auch nach der seit dem 1.7.2016 geltenden Rechtslage
zahlreiche Ausnahmen für Grundstücke, die dazu führen, dass Grundstücke als
Betriebsvermögen steuerlich begünstigt werden und damit zu 85 % oder gar 100 %
steuerfrei bleiben. Keine dieser Ausnahmen war im Streitfall aber erfüllt:
Weder lag eine Betriebsaufspaltung vor, noch gehörten die Grundstücke zum sog.
Sonderbetriebsvermögen des A.

Ob Betriebsvermögen im Erbfall oder bei Schenkungen zu 85 % oder
gar zu 100 % steuerfrei bleibt, hängt u.a. davon ab, ob der Erbe bzw.
Beschenkte die gesetzlichen Voraussetzungen wie z.B. die Fortführung des
Betriebs für fünf oder für sieben Jahre erfüllen will.

BFH, Urteil vom 2.12.2020 – II R 22/18; NWB

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