Verwendet der Unternehmer im Rahmen seiner Kassenführung ein
		älteres Kassensystem, das objektiv nicht gegen Manipulationen geschützt ist, so
		ist dies ein schwerwiegender formeller Buchführungsmangel, da keine Gewähr mehr
		für die Vollständigkeit der Einnahmenaufzeichnungen gegeben ist. Dies
		rechtfertigt jedoch nicht zwingend eine Vollschätzung, wenn es sich um einen
		gängigen Registrierkassentyp handelt und
		eine tatsächliche Manipulation
		unwahrscheinlich ist. 
Hintergrund: Eine Buchführung,
		auch Kassenführung, darf nicht manipuliert werden. Um Manipulationen an
		elektronischen Registrierkassen und PC-Kassen zu verhindern, gibt es seit dem
		1.1.2020 die Pflicht, eine sog. zertifizierte technische
		Sicherheitseinrichtung, die in der elektronischen Registrierkasse verbaut wird,
		zu verwenden. 
Sachverhalt: Der Kläger betrieb
		ein Restaurant und ermittelte seinen Gewinn durch Einnahmen-Überschussrechnung.
		Den größeren Teil seiner Umsätze in den Streitjahren 2011 bis 2014 erzielte er
		durch Außer-Haus-Lieferungen. Seit 1999 nutzte er eine elektronische
		Registrierkasse einfacher Bauart (Modell SKS TS 400), die von 1987 bis 2002
		vertrieben wurde und in Deutschland sehr gängig war. Die in den Jahren 1987 und
		1988 entwickelte Kassensoftware war in den Streitjahren 2011 bis 2014 nicht
		mehr manipulationssicher. Anhaltspunkte für eine Manipulation durch den Kläger
		gab es allerdings nicht. Wegen der Manipulierbarkeit der Kasse verwarf das
		Finanzamt die Aufzeichnungen des Klägers und ermittelte den Gewinn durch eine
		vollständige Schätzung. 
Entscheidung: Der BFH hat der
		hiergegen gerichteten Klage stattgegeben und die Sache zur weiteren Aufklärung
		an das Finanzgericht (FG) zurückverwiesen:
- 
Die Verwendung einer nicht manipulationsgeschützten
Registrierkasse ist ein schwerwiegender formeller
Buchführungsmangel; denn es ist keine Gewähr mehr für die
Vollständigkeit der Einnahmenaufzeichnungen gegeben. - 
Aus diesem schwerwiegenden formellen Mangel
folgt aber nicht zwingend die Berechtigung zu einer
Vollschätzung durch das Finanzamt. Der
Verhältnismäßigkeitsgrundsatz sowie der Vertrauensschutz können dazu führen,
dass der formelle Buchführungsmangel auf ein geringeres Maß zu reduzieren ist. - 
So ist zugunsten des Klägers der
Vertrauensschutz zu berücksichtigen. Bis zum
31.12.2016 hat die Finanzverwaltung derartige Kassensysteme akzeptiert. Der
Gesetzgeber hat die Pflicht, elektronische Registrierkassen und PC-Kassen mit
einer sog. zertifizierten technischen Sicherheitseinrichtung auszustatten, erst
zum 1.1.2020 eingeführt. In den Streitjahren 2011 bis 2014 durfte das vom
Kläger verwendete Kassensystem aus Sicht der Finanzverwaltung also durchaus
noch verwendet werden. - 
Der
Verhältnismäßigkeitsgrundsatz spricht
ebenfalls für den Kläger. Das Modell SKS TS 400 war ein weit verbreitetes
Modell, dessen Manipulierbarkeit vorrangig nur dem Kassenhersteller und den
Kassenhändlern bekannt war und sich erst Jahre nach dem Vertriebszeitraum
herausgestellt hat. Es sprach daher eine weit überwiegende Wahrscheinlichkeit
gegen eine konkrete Manipulation. - 
Hinzu kommt, dass der Kläger auch noch sonstige Aufzeichnungen
geführt hat, aus denen sich die vollständige Erfassung seiner Einnahmen ergibt.
So hat er etwa täglich den – nicht manipulierbaren – Gesamtspeicher
(„Grand Total“) auf den Tagesendsummenbons ausgedruckt. Ferner konnte der
Kläger für alle Öffnungstage seines Restaurants fortlaufend nummerierte
Tagesendsummenbons vorlegen. 
Hinweise: Das FG muss nun im
		zweiten Rechtsgang die von ihm festgestellten formellen und materiellen Fehler
		gewichten. 
Der BFH konnte sich bei seiner technischen Einschätzung zu der
		verwendeten Kasse auf ein Gutachten eines Softwareentwicklers stützen, das im
		FG-Verfahren eingeholt worden war. 
Das Urteil ist eine Grundsatzentscheidung, die für viele
		Unternehmer nachteilig ist. Denn der BFH bejaht in einem ersten Schritt einen
		schwerwiegenden formellen Buchführungsfehler, wenn der Unternehmer eine Kasse
		verwendet, die objektiv manipulierbar war bzw. irgendwann einmal manipulierbar
		wird. Der schwerwiegende formelle Buchführungsfehler besteht auch bei
		Unkenntnis des Unternehmers von der Manipulierbarkeit. Zwar schwächt der BFH
		die Bedeutung des Buchführungsfehlers in einem zweiten Schritt ab; das Risiko
		liegt nun aber beim Unternehmer, der z.B. prüfen muss, ob es sich um einen weit
		verbreiteten Kassentyp handelte, oder der zusätzliche Aufzeichnungen vorlegen
		muss, zu denen er gesetzlich gar nicht verpflichtet war. 
Der BFH hat sich in dem Urteil auch noch zu Programmierprotokollen
		geäußert. Danach sind Veränderungen an den Einstellungen der Kasse durch
		Programmierprotokolle zu dokumentieren. Soweit es jedoch um die sog. Firmware
		der Kasse geht, also um die fest installierte Software, genügt grundsätzlich
		die Vorlage der Bedienungsanleitung. Allerdings sind Updates der Firmware zu
		protokollieren. 
Quelle: BFH, Urteil vom 28.11.2023 – X R 3/22;
		NWB
					