Das Finanzgericht Nürnberg (FG)
hält den Solidaritätszuschlag auch für Zeiträume ab 2020 für verfassungsgemäß
und lehnt daher einen Vorlagebeschluss an das Bundesverfassungsgericht (BVerfG)
ab. Das FG sieht sowohl die Abschmelzung des Solidaritätszuschlags ab 2020, die
nur noch eine Minderheit der Steuerzahler mit dem Solidaritätszuschlag
belastet, als auch das Auslaufen des sog. Solidarpakts II als
verfassungsrechtlich unbedenklich an. Gegen die Entscheidung ist Revision beim
Bundesfinanzhof (BFH) eingelegt worden.

Hintergrund: Der
Solidaritätszuschlag beträgt 5,5 % der Einkommensteuer. Ab 2021 wird der
Solidaritätszuschlag nur noch bei höheren Einkommen erhoben, so dass ca. 90 %
der Steuerzahler keinen Solidaritätszuschlag mehr zahlen werden. Die
verbleibenden 10 % der Steuerzahler werden etwa 50 % des bisherigen Aufkommens
aus dem Solidaritätszuschlag, nämlich ca. 11 Mrd. € von bislang 22 Mrd.
€, entrichten. Die Grenze für die Entrichtung des Solidaritätszuschlags
wird für Ledige bei einem zu versteuernden Einkommen von ca. 62.000 €
beginnen. Außerdem müssen Kapitalanleger, die den Sparerfreibetrag ausgeschöpft
haben, sowie Kapitalgesellschaften den Solidaritätszuschlag weiterhin
bezahlen.

Sachverhalt: Die Kläger
sind Eheleute und sollten für 2020 einen vierteljährlichen Solidaritätszuschlag
von ca. 450 € entrichten. Sie wandten sich gegen die Festsetzung der
Vorauszahlung mit der Begründung, dass der sog. Solidarpakt II Ende 2019
ausgelaufen sei, so dass keine Aufbauhilfen mehr in die neuen Bundesländer
geleistet werden dürften und deshalb auch der Solidaritätszuschlag seine
Rechtfertigung verloren habe.

Entscheidung: Das FG wies
die Klage im Grundsatz ab, weil es nicht von der Verfassungswidrigkeit des
Solidaritätszuschlags ab 2020 überzeugt war:

  • Der Solidaritätszuschlag ist in
    den Veranlagungszeiträumen 2020 und 2021 noch verfassungsgemäß. Es handelt sich
    nicht um eine Steuer, sondern um eine sog. Ergänzungsabgabe. Eine
    Ergänzungsabgabe dient dazu, dass Bedarfsspitzen im Bundeshaushalt gedeckt
    werden.

  • Eine Ergänzungsabgabe muss
    nicht befristet sein. Zwar ist noch nicht geklärt, ob und ab wann es einen
    verfassungsrechtlichen Zwang zur Aufhebung einer Ergänzungsabgabe gibt. Der
    Gesetzgeber hat aber einen sehr weiten Gestaltungsspielraum bei der Laufzeit.

  • Zwar ist der sog. Solidarpakt
    II im Jahr 2019 ausgelaufen. Damit verlor der Solidaritätszuschlag aber nicht
    seine Rechtfertigung. Denn es gibt keine rechtliche Verbindung dahingehend,
    dass allein der Solidarpakt II einen Mehrbedarf des Bundes zur Finanzierung der
    Folgen der Wiedervereinigung zu begründen vermag. Jedenfalls besteht keine
    Pflicht zu einer schlagartigen Abschaffung des Solidaritätszuschlags, sondern
    es genügt die bereits beschlossene Abschmelzung des Solidaritätszuschlags.

Hinweise: Das FG hält es
im Übrigen für denkbar, dass der Solidaritätszuschlag umgewidmet wird und
künftig zur Deckung der Kosten der Corona-Krise verwendet wird, so dass er auch
unter diesem Gesichtspunkt verfassungsrechtlich gerechtfertigt wäre.

Die Verfassungswidrigkeit des
Solidaritätszuschlags kann nur vom BVerfG festgestellt werden. Gegen das Urteil
des FG ist Revision beim BFH eingelegt worden, so dass abzuwarten bleibt, ob
der BFH einen Vorlagebeschluss an das BVerfG richtet. Für die Praxis scheint es
ratsam zu sein, die Festsetzung des Solidaritätszuschlags im Steuerbescheid ab
2020 durch Einspruch anzufechten und die Festsetzung offenzuhalten, bis die
Verfassungsmäßigkeit abschließend geklärt ist.

FG Nürnberg, Urteil vom 29.7.2020 –
3 K 1098/19, Rev. beim BFH: IX R 15/20; NWB

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