Ein Arbeitnehmer, der bei einem Zeitarbeitsunternehmen beschäftigt
ist und wiederholt bei demselben Entleiher tätig wird, hat beim Entleiher keine
erste Tätigkeitsstätte, wenn die Abordnung des Zeitarbeitsunternehmens nicht
über einen Zeitraum von 48 Monaten hinausgeht und auch weder für die Dauer des
Arbeitsvertrags gilt noch unbefristet ist. Der Arbeitnehmer ist daher für den
Abzug seiner Fahrtkosten für die Fahrten zwischen Wohnung und Entleiher nicht
auf die Entfernungspauschale beschränkt, sondern kann für die Hin- und
Rückfahrt pauschale Fahrtkosten in Höhe von 0,30 € pro gefahrenen
Kilometer als Werbungskosten geltend machen.
Hintergrund: Für Fahrten
zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte kann der Arbeitnehmer nur die sog.
Entfernungspauschale in Höhe von 0,30 € pro Entfernungskilometer, d.h.
für eine einfache Fahrt geltend machen. Die erste Tätigkeitsstätte befindet
sich in derjenigen betrieblichen Einrichtung, der der Arbeitnehmer dauerhaft
zugeordnet ist. Von einer dauerhaften Zuordnung ist nach dem Gesetz
insbesondere auszugehen, wenn der Arbeitnehmer entweder unbefristet oder für
die Dauer des Dienstverhältnisses oder über einen Zeitraum von 48 Monaten
hinaus an der betrieblichen Einrichtung tätig werden soll.
Streitfall: Der Kläger war
Arbeitnehmer und seit 2012 bei dem Zeitarbeitsunternehmen A angestellt. Nach
seinem Arbeitsvertrag mit A sollte der Kläger bei Kunden (Entleiher) im
gesamten Bundesgebiet tätig werden. Tatsächlich wurde der Kläger von Beginn an
an das Unternehmen des B verliehen. Die entsprechenden Leihverträge zwischen A
und B waren ebenso wie die Abordnung des Klägers durch A befristet; so gab es
im Streitjahr 2014 zunächst einen Einsatz bei B vom 1.1.2014 bis 30.9.2014 und
anschließend einen Einsatz vom 1.10.2014 bis 31.12.2014. Der Kläger machte für
das Jahr 2014 Fahrtkosten für Fahrten von seiner Wohnung zum Betrieb des B an
239 Tagen auf der Grundlage einer Entfernung von 36 km in Höhe von 5.162,40
€ (239 Tage x 36 km x 2 x 0,30 €) geltend, d.h. für die Hin- und
Rückfahrt. Das Finanzamt erkannte nur die Entfernungspauschale und damit
lediglich die Kosten für die einfache Fahrtstrecke an.
Entscheidung: Der
Bundesfinanzhof (BFH) gab der hiergegen gerichteten Klage statt:
-
Der Kläger war dem Betrieb des B nicht
dauerhaft zugeordnet. Für die Frage der Zuordnung kommt es
auf den Arbeitsvertrag zwischen dem Kläger und dem Zeitarbeitsunternehmen A an;
denn der Kläger war Arbeitnehmer des Zeitarbeitsunternehmens und nicht
Arbeitnehmer des Entleihers B. -
Zwar kann sich die erste Tätigkeitsstätte auch in der
betrieblichen Einrichtung eines vom Arbeitgeber bestimmten Dritten befinden,
also im Betrieb des B. Dies setzt aber ebenfalls eine dauerhafte Zuordnung des
Klägers zu der betrieblichen Einrichtung des B voraus. -
An der Dauerhaftigkeit fehlte es im Streitfall. Denn der
Kläger wurde nicht unbefristet bei B eingesetzt, sondern jeweils nur befristet
abgeordnet. Der Kläger sollte auch nicht für die Dauer seines mit A
geschlossenen Arbeitsvertrags bei B tätig werden. Schließlich überschritt die
jeweils befristet vorgenommene Abordnung des Klägers bei B auch nicht den
gesetzlichen Zeitraum von 48 Monaten; es genügt nicht, dass die Abordnungen
durch A im Nachhinein einen Zeitraum von mehr als 48 Monaten überschritten.
Hinweise: Die Entscheidung ist
positiv für Zeitarbeitnehmer, da sie im Ergebnis die doppelten Fahrtkosten für
die Fahrten zwischen Wohnung und der Betriebsstätte des Entleihers geltend
machen können, nämlich 0,30 € für jeden gefahrenen Kilometer, also für
die Hin- und Rückfahrt. Bei der Entfernungspauschale würde hingegen nur für die
einfache Entfernung berücksichtigt werden.
Der BFH macht deutlich, dass es für die Beurteilung der ersten
Tätigkeitsstätte auf den Arbeitsvertrag des Arbeitnehmers mit seinem
Zeitarbeitsunternehmen ankommt und nicht auf den Vertrag zwischen dem
Zeitarbeitsunternehmen und dem Entleiher.
Quelle: BFH, Urteil v. 12.5.2022
– VI R 32/20; NWB