Bei einem Arbeitnehmer befindet sich die sog. erste
		Tätigkeitsstätte in derjenigen betrieblichen Einrichtung, der der Arbeitnehmer
		arbeitsvertraglich dauerhaft zugeordnet ist und an der er täglich zumindest in
		geringem Umfang Tätigkeiten ausübt, die zu seinem Berufsbild gehören. Bei einem
		Postzusteller ist dies das Zustellzentrum, bei einem Rettungsassistenten die
		Rettungswache und bei einem Werksbahn-Lokführer das Streckennetz der Werksbahn.
		Verpflegungsmehraufwendungen können somit grundsätzlich nicht geltend gemacht
		werden, weil es an einer mindestens achtstündigen Abwesenheit von der Wohnung
		und der ersten Tätigkeitsstätte fehlt. 
Hintergrund: Die
		Entfernungspauschale und die Berücksichtigung von Verpflegungsmehraufwendungen
		hängen u.a. davon ab, ob und wo der Arbeitnehmer eine sog. erste
		Tätigkeitsstätte hat. Für Fahrten von der Wohnung zur ersten Tätigkeitsstätte
		kann nämlich nur die Entfernungspauschale geltend gemacht werden. Und
		Verpflegungsmehraufwendungen werden nur dann steuerlich anerkannt, wenn der
		Arbeitnehmer mindestens acht Stunden von seiner Wohnung und der ersten
		Tätigkeitsstätte entfernt tätig wird. 
Sachverhalte: Der
		Bundesfinanzhof (BFH) musste über vier Fälle entscheiden, in denen es zweimal
		um einen Postzusteller und jeweils einmal um einen Rettungsassistenten und um
		einen Werksbahn-Lokführer ging. Die beiden Postzusteller waren jeweils einem
		Zustellzentrum zugeordnet, das sie morgens aufsuchten und an dem sie
		verschiedene Sortiertätigkeiten und Abrechnungen durchführten, bevor sie die
		Briefe austrugen. Der Rettungsassistent war einer Rettungswache zugeordnet und
		überprüfte dort morgens die Sauberkeit und Ausstattung des Rettungswagens, um
		anschließend zu Rettungseinsätzen zu fahren. Der Werksbahn-Lokführer fuhr auf
		einem Eisenbahnnetz der Werksbahn, das sich über mehrere Gemeinden erstreckte.
		Alle Kläger machten Verpflegungsmehraufwendungen geltend, die das Finanzamt
		nicht anerkannte. 
Entscheidungen: Der BFH wies die
		Klagen ab: 
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Keiner der Kläger war mehr als acht Stunden von seiner Wohnung 
 und der ersten Tätigkeitsstätte abwesend. Die erste Tätigkeitsstätte war bei
 den Postzustellern das Zustellzentrum, bei dem Rettungsassistenten die
 Rettungswache und bei dem Werksbahn-Lokführer das Streckennetz der
 Werksbahn.
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Die erste Tätigkeitsstätte ist diejenige betriebliche 
 Einrichtung des Arbeitgebers, der der Arbeitnehmer arbeitsrechtlich zugeordnet
 ist und an der er arbeitstäglich zumindest in geringem Umfang Tätigkeiten
 erbringen muss, die seinem Berufsbild entsprechen.
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Die Postzusteller waren dem Zustellzentrum zugeordnet, der 
 Rettungsassistent der Rettungswache und der Lokführer der Werksbahn.
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Die Postzusteller und der Rettungsassistent waren zwar 
 überwiegend außerhalb ihrer ersten Tätigkeitsstätte tätig, indem sie Briefe
 austrugen oder Rettungseinsätze fuhren; sie erledigten an ihrer
 Tätigkeitsstätte aber arbeitstäglich zumindest in geringem Umfang Arbeiten, die
 zu ihrem Berufsbild passten: Die Postzusteller sortierten bestimmte
 Briefsendungen vor und rechneten ab, während der Rettungsassistent das
 Rettungsfahrzeug vorbereitete und überprüfte.
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Der Lokführer hingegen verließ seine erste Tätigkeitsstätte 
 nicht, weil er den gesamten Arbeitstag auf dem Streckennetz der Werksbahn
 verbrachte.
Hinweise: Der Gesetzgeber hat
		mit Wirkung vom 1.1.2014 das steuerliche Reisekostenrecht geändert. Die
		aktuellen Fälle betreffen die neue Rechtslage. Dem BFH zufolge kommt es nicht
		mehr darauf an, dass der qualitative Schwerpunkt der Tätigkeit des
		Arbeitnehmers (Postzusteller, Rettungsassistent) nicht in der ersten
		Tätigkeitsstätte liegt, sondern außerhalb erfolgt, nämlich beim Austragen der
		Briefe bzw. bei den Rettungseinsätzen. 
Der BFH sieht auch ein großflächiges Gelände wie ein Streckennetz
		einer Werksbahn als erste Tätigkeitsstätte an und vergleicht dieses mit einem
		Werksgelände. Allerdings lässt sich dieses Urteil nicht auf einen Lokführer der
		Deutschen Bahn übertragen. Denn eine erste Tätigkeitsstätte muss eine
		betriebliche Einrichtung des Arbeitgebers sein; die Schienenwege öffentlicher
		Betreiber sind aber für jedermann zugänglich und daher nicht mit einer
		betrieblichen Einrichtung des Arbeitgebers vergleichbar. 
Vergleichbare Entscheidungen zur neuen Rechtslage hat der BFH zu
		einem Streifenpolizisten und zu einem Piloten getroffen: Beim
		Streifenpolizisten ist die Polizeiwache die erste Tätigkeitsstätte und beim
		Piloten ist dies der Flughafen, dem er zugeordnet ist, sofern dort der
		Arbeitgeber über betriebliche Räume verfügt. 
BFH, Urteile vom 1.10.2020 – VI R 36/18
		(Werksbahn-Lokomotivführer), und vom 30.9.2020 – VI R 10/19 und VI R 12/19
		(Postzusteller) sowie VI R 11/19 (Sanitäter); NWB
 
					