Der Verschonungsabschlag, mit dem Betriebsvermögen zu 85 % von der
Erbschaftsteuer befreit wird, entfällt für einen vererbten Anteil an einer KG
nicht bereits dann, wenn über das Vermögen der KG das Insolvenzverfahren
eröffnet wird. Der Verschonungsabschlag entfällt erst dann, wenn wesentliche
Teile des Betriebsvermögens durch den Insolvenzverwalter veräußert werden, der
gesamte Betrieb veräußert wird oder der Betrieb aufgegeben
wird.

Hintergrund: Betriebsvermögen
ist erbschaftsteuerlich begünstigt, weil der Erbe einen Verschonungsabschlag
(d.h. Steuerbefreiung) von 85 % erhält. Allerdings verlangt der Gesetzgeber
u.a., dass das vererbte Betriebsvermögen innerhalb von fünf Jahren (sog.
Behaltensfrist) nicht veräußert oder aufgegeben wird. Auch die Veräußerung oder
Entnahme der wesentlichen Betriebsgrundlagen innerhalb von fünf Jahren ist
schädlich; bei Kapitalgesellschaften ist die Auflösung der Kapitalgesellschaft
innerhalb der Behaltensfrist schädlich. Soweit die Behaltensfrist nicht
eingehalten wird, fällt der Verschonungsabschlag anteilig weg; bei einer
Veräußerung im 4. Jahr wird der Verschonungsabschlag also nur zu 3/5 gewährt.

Sachverhalt: Der Kläger erbte im
Juni 2010 von seinem Vater eine Beteiligung an einer GmbH & Co. KG, die zum
steuerlich begünstigten Betriebsvermögen gehörte und einen Wert von ca. 4,8
Mio. € hatte. Das Finanzamt gewährte den Verschonungsabschlag von
85 %, so dass nur 15 % steuerpflichtig waren. Am 1.6.2014 wurde über
das Vermögen der KG das Insolvenzverfahren eröffnet. Im Januar 2015 veräußerte
der Insolvenzverwalter wesentliche Teile des Betriebsvermögens. Das Finanzamt
machte den Verschonungsabschlag nun im Umfang von 2/5 rückgängig, weil es in
der Eröffnung des Insolvenzverfahrens im 4. Jahr eine schädliche Auflösung des
Betriebs sah, so dass die KG ihren Betrieb nur volle drei Jahre fortgeführt
hatte. Der Kläger ging hingegen davon aus, dass erst im 5. Jahr durch
Veräußerung der wesentlichen Betriebsgrundlagen durch den Insolvenzverwalter
ein schädlicher Vorgang erfolgt sei, so dass der Verschonungsabschlag zu 4/5 zu
gewähren sei.

Entscheidung: Der
Bundesfinanzhof (BFH) gab der Klage statt und gewährte den Verschonungsabschlag
zu 4/5:

  • Zwar führt die Eröffnung des Insolvenzverfahrens zur Auflösung
    einer Personen- oder Kapitalgesellschaft. Die Auflösung einer
    Kapitalgesellschaft führt auch ausdrücklich zum anteiligen Wegfall des
    Verschonungsabschlags.

  • Für eine Personengesellschaft gibt es aber keine ausdrückliche
    Regelung, dass bei ihrer Auflösung der Verschonungsabschlag anteilig wegfällt.
    Der Gesetzgeber sieht zwar die Aufgabe des Betriebs durch die
    Personengesellschaft als schädlich an. Die Eröffnung des Insolvenzverfahrens
    führt aber noch nicht zur Betriebsaufgabe, weil der Betrieb noch fortgeführt
    werden kann und zunächst lediglich unwesentliche Betriebsgrundlagen veräußert
    werden.

  • Erst wenn der Insolvenzverwalter innerhalb der Behaltensfrist
    den Betrieb der Personengesellschaft endgültig einstellt oder wesentliche
    Betriebsgrundlagen veräußert, fällt der Verschonungsabschlag anteilig weg. Dies
    folgt auch aus dem Zweck der Begünstigung, die Arbeitsplätze sichern will und
    deshalb die Fortführung des Betriebs für mindestens fünf Jahre verlangt. Die
    Eröffnung des Insolvenzverfahrens führt aber nicht zwingend zur Einstellung des
    Betriebs und damit zum Verlust der Arbeitsplätze. Denn ein Insolvenzverfahren
    kann auch dazu dienen, das Unternehmen zu retten.

  • Zwar geht mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens die
    Verfügungsbefugnis vom bisherigen Unternehmensinhaber bzw. Geschäftsführer auf
    den Insolvenzverwalter über. Die Steuerbegünstigung setzt aber nicht voraus,
    dass der Erbe verfügungsbefugt ist. Dies wird gerade bei geerbten Anteilen an
    Personengesellschaften deutlich; denn die steuerliche Begünstigung wird nach
    dem Gesetz auch dann gewährt, wenn der Erbe keinen Einfluss auf die
    Geschäftsführung haben muss.

  • Im Streitfall hat der Kläger am 2.6.2010 geerbt. Erst im
    Januar 2015 wurden wesentliche Betriebsgrundlagen veräußert. Zu diesem
    Zeitpunkt war die fünfjährige Behaltensfrist noch nicht abgelaufen, sondern die
    Veräußerung der wesentlichen Betriebsgrundlagen erfolgte im 5. Jahr nach dem
    Todesfall, so dass der Verschonungsabschlag zu 4/5 gewährt wird und in Höhe
    eines Fünftels wegfällt.

Hinweis: Das Urteil betrifft
zwar die Rechtslage aufgrund der Erbschaftsteuerreform 2009, gilt aber ebenso
für die Rechtslage nach der Erbschaftsteuerreform 2016.

Eine Betriebsaufgabe oder Veräußerung ist erbschaftsteuerlich
schädlich, wenn sie innerhalb von fünf Jahren erfolgt. Auf die Gründe für die
Betriebsaufgabe oder Veräußerung kommt es nicht an, so dass auch eine
Betriebsveräußerung aufgrund gesetzlicher Anordnung oder eine insolvenzbedingte
Veräußerung oder Schließung zum anteiligen Wegfall des Verschonungsabschlags
führt. Dies würde auch gelten, wenn ein Betrieb innerhalb der Behaltensfrist
wegen der Corona-Krise geschlossen werden muss.

BFH, Urteile vom 1.7.2020 – II R 19/18 und II R 20/18;
NWB

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