Zwar bleibt beim Tod eines Ehegatten die Erbschaft des überlebenden
Ehegatten in Höhe einer fiktiven Zugewinnausgleichsforderung
erbschaftsteuerfrei, wenn die Ehegatten in Zugewinngemeinschaft gelebt haben.
Bei der Berechnung des Zugewinnausgleichs wird das Anfangsvermögen des
verstorbenen Ehegatten aber um einen Pflichtteilsanspruch erhöht, den der
nunmehr verstorbene Ehegatte während des Bestehens der Zugewinngemeinschaft
aufgrund des Todes eines Elternteils erworben hatte. Dieser
Pflichtteilsanspruch erhöht nicht das Endvermögen, wenn er im Zeitpunkt des
Todes des Ehegatten verjährt ist und bis dahin nicht geltend gemacht worden
ist; dies führt zu einer Minderung der Höhe der steuerfreien
Zugewinnausgleichsforderung.

Hintergrund: Stirbt ein Ehegatte
und hatten die Ehegatten die Zugewinngemeinschaft vereinbart, bleibt der
fiktive Zugewinnausgleich, der dem überlebenden Ehegatten zustehen würde,
steuerfrei. Für die Ermittlung des Zugewinnausgleichs wird das jeweilige
Anfangs- und Endvermögen, das jeweils zu Beginn und am Ende der
Zugewinngemeinschaft bestand, gegenübergestellt. Soweit sich bei einem der
beiden Ehegatten danach ein höherer Zugewinn ergibt, muss er diesen Mehrbetrag
zur Hälfte ausgleichen.

Sachverhalt: Der Kläger war mit
der am 30.4.2009 verstorbenen Erblasserin E verheiratet. Er erbte 3/4 des
Nachlasses, während die beiden Neffen der E jeweils 1/8 erbten. Das Finanzamt
zog vom Wert des an den Kläger vererbten Nachlasses zwar eine
Zugewinnausgleichsforderung des Klägers gegenüber der E ab; dabei wurde als
Anfangsvermögen der E aber auch ein Pflichtteilsanspruch gegen ihre am
21.1.2005 verstorbene Mutter M in Höhe von ca. 307.000 € berücksichtigt,
so dass die Zugewinnausgleichsforderung des Klägers entsprechend niedriger
ausfiel. Diesen Pflichtteilsanspruch hatte die E nicht geltend gemacht, und er
war im Todeszeitpunkt der E am 30.4.2009 bereits verjährt.

Entscheidung: Der
Bundesfinanzhof (BFH) wies die hiergegen gerichtete Klage ab:

  • Der fiktive Zugewinnausgleich bleibt im Fall des Todes eines
    der Ehegatten für den überlebenden Ehegatten steuerfrei. Die Höhe dieser
    fiktiven Ausgleichsforderung wird nach denselben zivilrechtlichen Grundsätzen
    berechnet wie eine tatsächlich geltend gemachte Zugewinnausgleichsforderung.

  • Zivilrechtlich gehört zum Anfangsvermögen nicht nur dasjenige
    Vermögen, das einem Ehegatten nach Abzug der Verbindlichkeiten beim Eintritt in
    die Zugewinngemeinschaft gehört, sondern auch das Vermögen, das er
    anschließend, d.h. nach Beginn der Zugewinngemeinschaft, durch Schenkung oder
    durch einen Erbfall erwirbt. Das Anfangsvermögen erhöht sich also durch
    Schenkungen und Erbschaften während des Bestehens der Zugewinngemeinschaft, so
    dass der Zugewinnausgleichsanspruch des anderen Ehegatten entsprechend geringer
    ausfällt.

  • Zu den Ansprüchen, die durch einen Erbfall erworben werden,
    gehört auch ein Pflichtteilsanspruch. Für die Berechnung des Anfangsvermögens
    ist unbeachtlich, dass ein Pflichtteilsanspruch erbschaftsteuerlich erst dann
    versteuert werden muss, wenn er geltend gemacht wird; denn hier geht es um die
    Berechnung des Anfangsvermögens nach rein zivilrechtlichen Grundsätzen.

  • Das Anfangsvermögen der E war daher um den Pflichtteilsanspruch
    zu erhöhen. Hierdurch fiel der Zugewinn der E niedriger aus, so dass auch die
    – erbschaftsteuerfreie – Zugewinnausgleichsforderung des Klägers
    geringer war.

Hinweise: Zwar erhöht ein
Pflichtteilsanspruch auch das Endvermögen; dies gilt aber nur dann, wenn der
Pflichtteilsanspruch bei Beendigung der Zugewinngemeinschaft noch besteht und
noch nicht verjährt ist. Im Streitfall war aber Verjährung bereits eingetreten,
so dass das Endvermögen der E nicht zu erhöhen war.

Der Fall kann anhand des folgenden Beispiels verdeutlicht werden:
Der Ehemann EM hat einen Zugewinn von 800.000 € erzielt, der sich aus
einem Endvermögen von 1 Mio. € und einem Anfangsvermögen von 200.000
€ ergibt. Die verstorbene Ehefrau EF hat – ohne Berücksichtigung
des Pflichtteilsanspruchs – einen Zugewinn von 1,2 Mio. € erzielt,
der sich aus einem Endvermögen von 2 Mio. € und einem Anfangsvermögen
von 800.000 € ergibt. Damit bestünde an sich eine steuerfreie
Zugewinnausgleichsforderung des EM in Höhe von 200.000 € (1,2 Mio.
€ Zugewinn der EF abzüglich 800.000 € Zugewinn des EM = 400.000
€, hiervon die Hälfte). Erhöht sich nun aber das Anfangsvermögen der EF
noch um einen bislang nicht berücksichtigten Pflichtteilsanspruch von 300.000
€, beläuft sich der Zugewinn der EF nur auf 900.000 €. Damit
ergibt sich eine Zugewinnausgleichsforderung des EM nur in Höhe von 50.000
€ (Zugewinn der EF 900.00 € abzüglich Zugewinn des EM 800.000
€ = 100.000 €, hiervon die Hälfte).

BFH, Urteil vom 22.7.2020 – II R 42/18; NWB

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