Nimmt ein Unternehmer gegen Entschädigung eine Klage gegen einen
Planfeststellungsbeschluss zurück, der seine betrieblichen Flächen betrifft,
unterliegt die Entschädigung der Umsatzsteuer. Die Umsatzsteuer entsteht im
Zeitpunkt der Klagerücknahme, es sei denn, der Unternehmer beruft sich auf
europäisches Mehrwertsteuerrecht; in diesem Fall kommt eine Verteilung der
Entschädigung auf die Dauer des Entschädigungszeitraums in
Betracht.

Hintergrund: Nach deutschem
Recht entsteht die Umsatzsteuer mit der Ausführung der Leistung oder
Teilleistung (sog. Sollbesteuerung). Nur wenn ausnahmsweise eine Istbesteuerung
zulässig und beantragt ist, kommt es auf den Zeitpunkt der Zahlung an.

Sachverhalt: Der Kläger war
Landwirt. Über seine landwirtschaftlichen Flächen sollte nach einem
Planfeststellungsbeschluss eine Eisenbahnlinie geführt werden, so dass der
Kläger eine längere Anfahrt zu einem Teil seiner Flächen gehabt hätte. Er
klagte gegen den Planfeststellungsbeschluss. Während des Klageverfahrens
einigte er sich mit der Deutschen Bahn. Der Kläger nahm 2005 die Klage gegen
Zahlung einer Entschädigung in Höhe von ca. 128.000 € sowie gegen die
Zusage, dass ein Ersatzweg über die Schienen gebaut wird, zurück. Die Zahlung
erhielt der Kläger im Folgejahr 2006. Das Finanzamt ging von einer
Umsatzsteuerbarkeit der Entschädigung aus und erhöhte die Umsatzsteuer für
2006, dem Jahr der Zahlung, um die im Zahlungsbetrag enthaltene
Umsatzsteuer.

Entscheidung: Der
Bundesfinanzhof (BFH) gab der Klage statt:

  • Der Kläger hat mit seiner Klagerücknahme zwar eine
    umsatzsteuerbare Leistung erbracht. Denn er hat die Klage zurückgenommen, weil
    ihm die Deutsche Bahn eine Entschädigung in Höhe von ca. 128.000 €
    geboten hat.

  • Nach deutschem Recht ist die Umsatzsteuer aber mit der
    Klagerücknahme im Jahr 2005 entstanden, da der Kläger mit der Klagerücknahme
    seine Leistung vollständig erbracht hat. Das Finanzamt durfte daher nicht die
    Umsatzsteuer 2006 erhöhen, sondern hätte die Umsatzsteuer für 2005 erhöhen
    müssen. Auf die Zahlung kommt es bei der sog. Sollbesteuerung nicht
    an.

  • Der BFH braucht nicht zu entscheiden, ob der Kläger
    Teilleistungen erbracht hat, so dass die Umsatzsteuer erst mit der jeweiligen
    Ausführung der Teilleistung entstanden wäre. Denn die deutsche Regelung über
    die Entstehung der Umsatzsteuer bei Teilleistungen ist europarechtswidrig und
    nicht anzuwenden. Die europäische Regelung über die Entstehung der Umsatzsteuer
    bei Teilleistungen ist hingegen nur anzuwenden, wenn sich der Unternehmer auf
    diese Regelung beruft. Dies hat der Kläger aber nicht getan.

Hinweise: Der Kläger hat die
Klage gewonnen, weil das Finanzamt die Umsatzsteuer im falschen Jahr
festgesetzt hat. Verfahrensrechtlich könnte das Finanzamt nun noch die
Festsetzung für 2005 zuungunsten des Klägers ändern, da der Ablauf der
Verjährung für 2005 für ein Jahr gehemmt ist. Ob eine Änderung erfolgt und ob
sich der Kläger dann auf die europäische Regelung über die Entstehung der
Umsatzsteuer bei Teilleistungen beruft, bleibt abzuwarten.

BFH, Urteil vom 22.8.2019 – V R 47/17

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