Auch bei einer sog. doppelten Treuhand, bei der der Treuhänder
		nicht nur für den Treugeber tätig ist, sondern auch die Interessen anderer
		Personen wahren muss, kann zwischen dem Treugeber und dem Treuhänder ein
		steuerlich anzuerkennendes Treuhandverhältnis bestehen, das dazu führt, dass
		die Einkünfte aus dem Treuhandvermögen dem Treugeber zugerechnet werden.
		Kriterien sind insbesondere die Weisungsbefugnis des Treugebers und das
		jederzeitige Rückgaberecht des Treugebers. 
Hintergrund: Wirtschaftsgüter
		und Einkünfte werden zwar grundsätzlich dem zivilrechtlichen Eigentümer
		zugerechnet. Das Steuerrecht kennt aber auch das wirtschaftliche Eigentum, wenn
		ein anderer als der rechtliche Eigentümer die tatsächliche Herrschaft über das
		Wirtschaftsgut in der Weise ausübt, dass er den rechtlichen Eigentümer im
		Regelfall für die gewöhnliche Nutzungsdauer von der Einwirkung auf das
		Wirtschaftsgut ausschließen kann. Dementsprechend ist nach dem Gesetz bei einem
		Treuhandverhältnis das Wirtschaftsgut dem Treugeber zuzurechnen. 
Streitfall: Der Kläger war ein
		eingetragener Verein, dem von der X-AG Vermögen treuhänderisch übertragen
		wurde. Dieses Treuhandvermögen diente als Sicherung für die
		Pensionsverpflichtungen der X-AG. Nach dem Treuhandvertrag war die X-AG
		weisungsbefugt, und das Treuhandvermögen durfte ausschließlich für die
		Erfüllung der Pensionsverpflichtungen eingesetzt werden. Auch die erzielten
		Erträge sollten zum Treuhandvermögen gehören. Im Jahr 2009 wurde über das
		Vermögen der X-AG das Insolvenzverfahren eröffnet. Zum Treuhandvermögen
		gehörten auch Aktien, aus denen in den Streitjahren 2009 und 2010 Dividenden
		gezahlt wurden. Der Kläger war der Auffassung, dass die Dividenden der X-AG
		zuzurechnen seien. 
Entscheidung: Der
		Bundesfinanzhof (BFH) gab der Klage statt: 
- 
Dividenden sind demjenigen zuzurechnen, der im Zeitpunkt des
Gewinnverteilungsbeschlusses zivilrechtlicher oder – hiervon abweichend
– wirtschaftlicher Eigentümer ist. Bei einem Treuhandverhältnis ist der
Treugeber, also die X-AG, wirtschaftlicher Eigentümer. - 
Das Treuhandverhältnis zwischen dem Kläger als Treuhänder und
der X-AG als Treugeber ist steuerlich auch anzuerkennen. Zwar genügt nicht
bereits die Bezeichnung als „Treuhandvertrag“; es kommt vielmehr
darauf an, dass das zivilrechtliche Eigentum des Klägers aufgrund der
getroffenen Vereinbarungen als „leere Hülle“ erscheint.
Wesentliches Kriterium hierfür ist die Weisungsbefugnis des Treugebers sowie
dessen Berechtigung, jederzeit – ggf. nach einer angemessenen
Kündigungsfrist – die Rückgabe des Treuguts zu verlangen. - 
Im Streitfall war die X-AG nach dem geschlossenen
Treuhandvertrag umfassend weisungsbefugt. Hieran hat sich durch die Insolvenz
nichts geändert, weil die Weisungsbefugnis auch im sog. Sicherungsfall bestehen
bleiben sollte. Auch die Chance einer Wertsteigerung des Treuhandvermögens lag
nach dem Treuhandvertrag ebenso wie das Risiko einer Wertminderung bei der
X-AG. 
Hinweise: Zwar konnte die X-AG
		nach dem Treuhandvertrag nicht jederzeit die Rückgabe des Treuhandvermögens
		verlangen. Der Kläger konnte aber gleichwohl nicht uneingeschränkt wie ein
		zivilrechtlicher Eigentümer über das Treuhandvermögen verfügen, da er allein
		für Rechnung der X-AG handelte und an deren Weisungen gebunden war. Im Übrigen
		wäre es bei der hier vorliegenden doppelten bzw. doppelnützigen Treuhand gerade
		mit dem Treugeberinteresse unvereinbar, wenn eine jederzeitige Rückgabe
		vereinbart würde; denn das Treuhandvermögen sollte der Erfüllung der
		Pensionsansprüche der Arbeitnehmer im Sicherungsfall dienen. 
Die doppelte Treuhand ergab sich daraus, dass neben dem Treugeber,
		der X-AG, auch die Interessen der Arbeitnehmer zu berücksichtigen waren, deren
		Pensionsansprüche abgesichert wurden. 
Offen gelassen hat der BFH die bilanzielle Behandlung des
		Treuhandvermögens. Die bilanzielle Behandlung hat im Übrigen nur eine
		indizielle Bedeutung für die tatsächliche Durchführung des
		Treuhandverhältnisses. 
Treuhandvermögen, das der Absicherung von Pensionsverpflichtungen
		dient, wird erbschaftsteuerlich als begünstigtes Betriebsvermögen und nicht als
		sog. schädliches Verwaltungsvermögen behandelt. 
Quelle: BFH, Urteil v. 4.5.2022
		– I R 19/18; NWB
					