Die Einkommensteuer des Erblassers ist grundsätzlich als
Nachlassverbindlichkeit bei der Erbschaftsteuer abziehbar. Dies gilt jedoch
nicht, wenn nicht damit gerechnet werden kann, dass das Finanzamt die
Einkommensteuer noch einfordert. Macht das Finanzamt entgegen dieser Erwartung
die Einkommensteuer später doch noch geltend, kann der Erbschaftsteuerbescheid
zugunsten des Erben dann aufgrund eines sog. rückwirkenden Ereignisses geändert
werden.

Hintergrund: Erbschaftsteuerlich
können vom Erbe Nachlassverbindlichkeiten abgezogen werden. Hierzu gehören auch
die Einkommensteuerschulden des Erblassers.

Sachverhalt: Die Klägerin war
zusammen mit vier weiteren Personen, u.a. ihren beiden Brüdern, Erbin ihres
2007 verstorbenen Vaters. Das Finanzamt setzte im März 2008 Erbschaftsteuer
gegenüber der Klägerin fest. Im Juli 2012 änderte das für die Einkommensteuer
des verstorbenen Vaters zuständige Finanzamt die Einkommensteuer für 2007 und
erhöhte die Einkommensteuer des Vaters um ca. 180.000 €, weil es einen
Sanierungsgewinn nunmehr nicht mehr als steuerfrei behandelte; der geänderte
Einkommensteuerbescheid ging an die fünf Miterben. Die
Einkommensteuernachzahlung von 180.000 € war im Erbschaftsteuerbescheid
vom März 2008 nicht berücksichtigt worden. Die Klägerin beantragte nun eine
Änderung ihres Erbschaftsteuerbescheids und den Abzug von 1/3 der
Einkommensteuerschuld, weil sie und ihre beiden Brüder die Einkommensteuer
allein gezahlt hätten.

Entscheidung: Der
Bundesfinanzhof (BFH) verwies die Sache an das Finanzgericht (FG) zur weiteren
Aufklärung zurück:

  • Zu den Nachlassverbindlichkeiten gehören auch die
    Einkommensteuerschulden des Erblassers, die durch seine Einkünfte entstanden
    sind. Dies gilt auch dann, wenn die Einkommensteuer im Todeszeitpunkt noch gar
    nicht festgesetzt war.

  • Die Einkommensteuer muss aber im
    Todeszeitpunk
    t eine wirtschaftliche
    Belastung
    dargestellt haben. Hieran fehlt es, wenn objektiv
    nicht damit gerechnet werden konnte, dass das Finanzamt die Einkommensteuer
    noch festsetzen und damit geltend machen wird. Dies kann z.B. der Fall sein,
    wenn der Erblasser eine Steuerhinterziehung begangen hat, von der das Finanzamt
    noch keine Kenntnis hatte.

  • War im Todeszeitpunkt eine wirtschaftliche Belastung zu
    bejahen, kann der Erbschaftsteuerbescheid später nicht mehr geändert werden.
    War im Todeszeitpunkt eine wirtschaftliche Belastung jedoch zu verneinen, weil
    zu diesem Zeitpunkt nicht damit zu rechnen war, dass das Finanzamt noch Steuern
    festsetzen wird, und kommt es später entgegen dieser Annahme doch zu einer
    Festsetzung, kann der Erbschaftsteuerbescheid aufgrund eines rückwirkenden
    Ereignisses, nämlich der nachträglichen Einkommensteuerfestsetzung, zugunsten
    des Erben geändert werden.

Hinweise: Das FG muss nun
aufklären, ob im Todeszeitpunkt mit der Festsetzung einer Einkommensteuer für
2007 in Höhe von 180.000 € noch zu rechnen war. Falls nicht, kann der
Erbschaftsteuerbescheid zugunsten der Klägerin geändert werden. Allerdings wäre
dann die Einkommensteuerschuld lediglich zu 1/5 anzusetzen, weil es insgesamt
fünf Erben gab. Dass die Klägerin und ihre beiden Brüder die Einkommensteuer
allein gezahlt haben, ist steuerlich irrelevant.

BFH, Urteil v. 11.7.2019 – II R 36/16; NWB

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