Ein Darlehensverlust, der zu negativen Einkünften aus
Kapitaleinkünften führt, tritt dann ein, wenn über das Vermögen des Schuldners
das Insolvenzverfahren eröffnet worden ist und der Insolvenzverwalter die
Masseunzulänglichkeit gegenüber dem Insolvenzgericht angezeigt hat. Dann ist
nämlich mit einer Tilgung der Darlehensforderung nicht mehr zu rechnen.
Hintergrund: Nach dem Gesetz
zählt der Gewinn oder Verlust aus der Veräußerung einer Darlehensforderung zu
den Einkünften aus Kapitalvermögen. Dies gilt auch für die Einlösung,
Rückzahlung, Abtretung oder verdeckte Einlage einer Darlehensforderung in eine
Kapitalgesellschaft.
Sachverhalt: Der Kläger gewährte
im August 2010 einem Dritten (D) ein Darlehen von ca. 25.000 €, das mit
5 % verzinst war. Der D leistete ab August 2011 die vereinbarten Tilgungen
nicht mehr. Im Jahr 2012 wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen des D
eröffnet, und noch im Jahr 2012 zeigte der Insolvenzverwalter die
Masseunzulänglichkeit gegenüber dem Insolvenzgericht an. Im Jahr 2016 wurde das
Insolvenzverfahren eingestellt. Der Kläger machte in der
Einkommensteuererklärung 2012 einen Verlust von ca. 25.000 € bei den
Einkünften aus Kapitalvermögen geltend. Das Finanzamt erkannte den Verlust
nicht an.
Entscheidung: Der
Bundesfinanzhof (BFH) gab der hiergegen gerichteten Klage statt:
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Nicht nur die Veräußerung mit Verlust, sondern auch der
Ausfall einer Darlehensforderung kann zu negativen Einkünften aus
Kapitalvermögen führen. Denn wirtschaftlich betrachtet macht es keinen
Unterschied, ob der Darlehensgeber seine Forderung kurz vor dem Ausfall zu
einem Betrag von 0 € veräußert oder ob er sie behält und auf eine
Quote bzw. einen Kaufinteressenten hofft. -
Der Darlehensausfall muss allerdings endgültig feststehen. Es
muss also sicher sein, dass keine weiteren Rückzahlungen mehr erfolgen. Die
Berücksichtigung eines Darlehensausfalls zu einem früheren Zeitpunkt ist
ausnahmsweise nur dann möglich, wenn bei objektiver Betrachtung bereits zu
diesem Zeitpunkt nicht mehr mit Darlehensrückzahlungen auf die Forderung zu
rechnen ist und objektive Anhaltspunkte für eine Uneinbringlichkeit der
Forderung vorliegen. -
Die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens genügt noch nicht für
die Berücksichtigung eines Darlehensausfalls. Anders ist dies aber, wenn die
Eröffnung des Insolvenzverfahrens mangels Masse abgelehnt wird oder wenn der
Insolvenzverwalter die Masseunzulänglichkeit gegenüber dem Insolvenzgericht
angezeigt hat. -
Im Streitfall hatte der Insolvenzverwalter bereits im
Streitjahr 2012 die Masseunzulänglichkeit gegenüber dem Insolvenzgericht
angezeigt. Das bedeutet, dass die Insolvenzmasse nicht einmal ausreicht, um die
fälligen sonstigen Masseverbindlichkeiten zu bedienen, die vorrangig zu
erfüllen sind und in der Regel erst nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens
entstanden sind. Eine Befriedigung der „regulären“
Insolvenzgläubiger, zu denen der Kläger gehört, ist damit nicht mehr zu
erwarten. -
Die Darlehensverbindlichkeit des D gegenüber dem Kläger war
auch keine Masseverbindlichkeit, die vorrangig hätte bedient werden müssen;
denn die Darlehensauszahlung war schon vor der Eröffnung des
Insolvenzverfahrens erfolgt, so dass der Kläger seine vertragliche
Verpflichtung bereits vollständig erfüllt hatte. -
Die Einkünfteerzielungsabsicht des Klägers war zu bejahen, da
er ein verzinsliches Darlehen gewährt hatte. Sie wird zudem im Bereich der
Abgeltungsteuer vermutet.
Hinweise: Seit dem Veranlagungszeitraum 2020 werden Verluste aus
der Uneinbringlichkeit von Darlehensforderungen jährlich nur noch bis maximal
20.000 € berücksichtigt und können bis zu diesem Betrag mit positiven
Kapitaleinkünften verrechnet werden. Ein übersteigender Betrag kann im
jeweiligen Folgejahr ebenfalls nur bis zu 20.000 € mit positiven
Einkünften aus Kapitalvermögen verrechnet werden.
Würde sich im Streitfall herausstellen, dass die angezeigte
Massenunzulänglichkeit doch nicht von Dauer ist und die Insolvenzmasse wieder
groß genug wird, um die Darlehensforderung des Klägers zu begleichen, wäre dies
ein sog. rückwirkendes Ereignis, aufgrund dessen das Finanzamt den
Einkommensteuerbescheid des Klägers zu seinen Ungunsten wieder ändern könnte.
BFH, Urteil v. 1.7.2021 – VIII R 28/18; NWB