Eine sog. stehengelassene Bürgschaft eines GmbH-Gesellschafters,
die vor dem Eintritt der Krise der GmbH eingeräumt und mit Eintritt der Krise
stehengelassen wurde, kann bei den Einkünften aus Kapitalvermögen als Verlust
berücksichtigt werden. Die hierfür erforderliche Einkünfteerzielungsabsicht ist
trotz fehlender Vereinbarung einer Avalprovision anzunehmen, wenn der
GmbH-Gesellschafter mit der Bürgschaftsgewährung eine Wertsteigerung seiner
GmbH-Beteiligung angestrebt hat.
Hintergrund: Gewinne und
Verluste aus dem Verkauf oder der Aufgabe von GmbH-Beteiligungen sind
grundsätzlich steuerpflichtig, und zwar entweder als Einkünfte aus
Gewerbebetrieb, wenn der Gesellschafter mit mindestens 1 % beteiligt ist, oder
aber als Einkünfte aus Kapitalvermögen. Neben der eigentlichen GmbH-Beteiligung
geben GmbH-Gesellschafter häufig auch Finanzierungsleistungen in Gestalt von
Darlehen oder Bürgschaften. Fällt der Gesellschafter mit seinem Darlehen aus
oder wird er aus der Bürgschaft in Anspruch genommen, stellt sich die Frage, ob
er den Darlehensausfall bzw. den Ausfall seiner Regressforderung als Bürge
steuerlich absetzen kann.
Sachverhalt: Der Kläger war
zusammen mit seinem Bruder zu jeweils 50 % an der B-GmbH beteiligt. Der Kläger
verbürgte sich zusammen mit seinem Bruder in den Jahren 2010 und 2011 für
mehrere Darlehen der B-GmbH, die zu diesem Zeitpunkt noch nicht finanziell
angeschlagen war. Die Bürgschaften waren mit einer Frist von vier Wochen
kündbar. Im Jahr 2012 geriet die B-GmbH in die Krise. Sie beantragte im
Dezember 2012 die Eröffnung des Insolvenzverfahrens; im März 2013 wurde das
Insolvenzverfahren eröffnet. Im Jahr 2014 zahlten die Brüder aufgrund einer mit
dem Insolvenzverwalter getroffenen Vereinbarung jeweils ca. 115.000 € an
die Banken. Der Kläger machte den Betrag von 115.000 € ebenso wie den
Verlust seiner Beteiligung steuerlich geltend. Das Finanzamt erkannte nur den
Verlust der Beteiligung an.
Entscheidung: Der
Bundesfinanzhof (BFH) gab der hiergegen gerichteten Klage statt:
-
Als Bürge, der in Anspruch genommen wurde, erlangte der Kläger
eine Regressforderung gegen die GmbH, die aber ausfiel, weil sich die GmbH
bereits in Insolvenz befand. Der Ausfall einer Forderung führt zu Verlusten aus
Kapitalvermögen. Nach dem Gesetzeswortlaut wird zwar nur der Verkauf einer
Forderung mit Verlust den Kapitaleinkünften zugeordnet; der Ausfall einer
Forderung wird dem aber gleichgestellt, da es keinen Unterschied macht, ob der
Steuerpflichtige die Forderung kurz vor dem Ausfall noch zu einem Preis von 0
€ veräußert oder aber behält und mit ihr ausfällt. -
Der Ausfall der Regressforderung erfolgte im Jahr 2014. Denn
in diesem Jahr hatte der Kläger die Vereinbarung mit dem Insolvenzverwalter
getroffen und die Zahlungen als Bürge an die Banken geleistet. Zu diesem
Zeitpunkt war kein Geld mehr von der GmbH zu erwarten. -
Zwar ist für die Zuordnung zu den Kapitaleinkünften eine
Einkünfteerzielungsabsicht erforderlich; der
Kläger hatte aber eine Einkünfteerzielungsabsicht, auch wenn er für die
Bürgschaftsgewährung keine Avalprovision erhielt. Als GmbH-Gesellschafter ging
es ihm nämlich auch um die Erhaltung und Steigerung des
(steuerpflichtigen) Werts seiner GmbH-Beteiligung. -
Der Verlust belief sich auf 115.000 €, da der Kläger
diesen Betrag an die Gläubiger gezahlt hatte und in dieser Höhe eine
Regressforderung gegen die B-GmbH erworben hatte. Dieser Verlust unterlag dem
individuellen Steuersatz des Klägers und nicht lediglich der Abgeltungsteuer
von 25 %. Denn die Abgeltungsteuer war nach der im Streitjahr gültigen
Rechtslage ausgeschlossen, wenn der Gesellschafter der GmbH mit mindestens 10 %
beteiligt war.
Hinweise: Zusätzlich zu dem
Verlust aus dem Ausfall der Regressforderung konnte der Kläger auch noch den
Verlust seiner GmbH-Beteiligung geltend machen. Dieser Verlust war allerdings
unstreitig; er wurde nach dem sog. Teileinkünfteverfahren zu 60 % vom Einkommen
des Klägers abgezogen.
Die Berücksichtigung von Verlusten bei den Einkünften aus
Kapitalvermögen hat sich für GmbH-Gesellschafter, die mit mindestens 10 %
beteiligt sind, aufgrund einer Gesetzesänderung im Jahr 2020 deutlich
verschlechtert. Denn Forderungsausfälle unterliegen jetzt zum einen der
Abgeltungsteuer, und sie können jährlich nur noch bis zu 20.000 € mit
positiven Kapitaleinkünften ausgeglichen werden. Diese Gesetzesänderung gilt
für Darlehen, die vor dem 1.1.2021 gewährt worden sind, aber erst ab 2024.
Quelle: BFH, Urteil v. 20.6.2023 – IX R 2/22; NWB