Der Bundesfinanzhof (BFH) hält es
im Rahmen eines Verfahrens des vorläufigen Rechtsschutzes für rechtlich
zweifelhaft, dass ein Investitionsabzugsbetrag, der im Jahr 2021 für die
künftige Anschaffung einer Photovoltaikanlage gebildet worden ist, allein wegen
der ab 1.1.2022 eingeführten Steuerbefreiung für Gewinne aus dem Betrieb von
Photovoltaikanlagen im Veranlagungszeitraum 2021 rückgängig zu machen ist.
Hintergrund: Ein
Unternehmer kann unter bestimmten Voraussetzungen für künftige Investitionen
einen Investitionsabzugsbetrag steuermindernd bilden. Der
Investitionsabzugsbetrag beläuft sich auf maximal 50 % der künftigen
Anschaffungs- bzw. Herstellungskosten. Wird die Investition durchgeführt, kann
in Höhe des Investitionsabzugsbetrags eine Hinzurechnung zum Gewinn erfolgen;
unterbleibt die Hinzurechnung, ist der Investitionsabzugsbetrag im Jahr der
Bildung rückgängig zu machen.
Gewinne aus dem Betrieb kleiner
Photovoltaikanlagen mit einer Leistung von maximal 30 kw (peak) sind unter
bestimmten Voraussetzungen seit dem 1.1.2022 steuerfrei. Die Steuerfreiheit
wurde Ende 2022 rückwirkend eingeführt.
Sachverhalt: Der
Antragsteller bildete im Streitjahr 2021 einen Investitionsabzugsbetrag für die
künftige Anschaffung einer Photovoltaikanlage mit einer Leistung von 11,2 kW
(peak). Das Finanzamt erkannte den Investitionsabzugsbetrag im
Einkommensteuerbescheid für 2021 vom 27.5.2022 zunächst an; es änderte dann
aber den Bescheid im November 2023 mit der Begründung, dass aufgrund der
rückwirkend zum 1.1.2022 eingeführten Steuerfreiheit für Gewinne aus dem
Betrieb kleinerer Photovoltaikanlagen ab 2022 künftig keine Hinzurechnung des
Investitionsabzugsbetrags mehr möglich sei. Hiergegen legte der Antragsteller
Einspruch ein und beantragte die Aussetzung der Vollziehung.
Entscheidung: Der BFH gab
dem Antrag auf Aussetzung der Vollziehung statt:
-
Die Vollziehung eines
Steuerbescheids ist auszusetzen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit
des angefochtenen Steuerbescheids bestehen. Die sich aus dem Steuerbescheid
ergebende Nachzahlung braucht dann bis zum Abschluss des Einspruchs- bzw.
Klageverfahrens nicht gezahlt zu werden. -
Im Streitfall bestanden
ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen
Einkommensteuerbescheids für 2021. Denn die Rechtslage hinsichtlich der Frage,
welche Folgen sich aus der rückwirkend zum 1.1.2022 eingeführten
Steuerbefreiung für Gewinne aus dem Betrieb einer Photovoltaikanlage für einen
vor dem Jahr 2022 gebildeten Investitionsabzugsbetrag für die geplante
Anschaffung einer Photovoltaikanlage ergeben, ist unklar. -
Der
Gesetzgeber hat diesen Fall nicht geregelt. Daher bleibt
unklar, ob der im Veranlagungszeitraum 2021 gebildete Investitionsabzugsbetrag
aufgrund der ab dem 1.1.2022 bestehenden Steuerbefreiung rückgängig zu machen
ist, wie dies das Finanzamt annimmt, oder ob der Investitionsabzugsbetrag trotz
der Einführung der Steuerbefreiung ab 2022 noch als abschließender Gegenakt zur
Bildung hinzugerechnet werden kann; eine derartige Hinzurechnung wäre als
steuerpflichtig anzusehen und würde nicht unter die ab dem 1.1.2022 geltende
Steuerbefreiung fallen.
Hinweise: Es handelt sich
um eine Entscheidung im vorläufigen Rechtsschutz, so dass die Rechtslage
weiterhin offen bleibt, bis es zu einer Hauptsacheentscheidung des BFH kommt.
Mit seiner aktuellen Entscheidung
widerspricht der BFH der Auffassung der Finanzverwaltung, die eine
Rückgängigmachung der vor dem Veranlagungszeitraum 2022 gebildeten
Investitionsabzugsbeträge (für die künftige Anschaffung von
Photovoltaikanlagen) allein aufgrund der rückwirkend eingeführten
Steuerbefreiung verlangt.
Auch wenn die rückwirkend
eingeführte Steuerbefreiung für Gewinne aus dem Betrieb von Photovoltaikanlagen
eine an sich erfreuliche Regelung für Steuerpflichtige ist, könnte sich die
Steuerbefreiung in Bezug auf bereits gebildete Investitionsabzugsbeträge
nachteilig auswirken, wie der aktuelle Streitfall zeigt. Der BFH hat offen
gelassen, ob sich aus der rückwirkenden Steuerbefreiung verfassungsrechtliche
Bedenken ergeben, da die Aussetzung der Vollziehung bereits aufgrund der
unklaren Rechtslage gerechtfertigt ist.
Quelle: BFH, Beschluss vom
15.10.2024 – III B 24/24 (AdV); NWB