Der Unternehmer, der an den Rechnungsaussteller zu Unrecht
Umsatzsteuer gezahlt hat, kann zwar einen Anspruch gegen das Finanzamt auf
Erstattung dieser Umsatzsteuer haben, wenn der Rechnungsaussteller nicht mehr
zahlungsfähig ist. Dieser sog. Direktanspruch gegen das Finanzamt setzt aber
voraus, dass tatsächlich der Rechnungsaussteller – und nicht ein Dritter
– eine Leistung an den Unternehmer erbracht hat.
Hintergrund: Zahlt ein
Unternehmer an seinen Vertragspartner und Rechnungsaussteller zu Unrecht
Umsatzsteuer, weil dieser z.B. über eine nicht steuerbare oder über eine
steuerfreie Leistung mit Umsatzsteuer abrechnet, hat er grundsätzlich einen
zivilrechtlichen Rückzahlungsanspruch gegen den Rechnungsaussteller. Nach der
Rechtsprechung des EuGH kann der Unternehmer aber bei einer Zahlungsunfähigkeit
des Rechnungsausstellers auch einen sog. Direktanspruch gegen das Finanzamt auf
Zahlung oder Berücksichtigung der zu Unrecht an den Rechnungsaussteller
gezahlten Umsatzsteuer haben.
Sachverhalt: Die Klägerin
erhielt von HC Rechnungen mit gesondert ausgewiesener Umsatzsteuer und bezahlte
diese; der Umsatzsteuerbetrag aus diesen Rechnungen belief sich auf ca.
100.000 €. Tatsächlich hatte die in den Rechnungen genannten
Leistungen aber nicht HC erbracht, sondern JM, der ein Arbeitnehmer der
Klägerin und der Ehemann von HC war. Das Finanzamt versagte den Vorsteuerabzug
der Klägerin. Die Klage hiergegen hatte keinen Erfolg. Anschließend klagte die
Klägerin zivilrechtlich gegen HC auf Rückzahlung der zu Unrecht in Rechnung
gestellten Umsatzsteuer. Die Klägerin gewann zwar den Zivilrechtsstreit,
erhielt von HC aber kein Geld, da HC nicht mehr zahlungsfähig war. Daraufhin
beantragte die Klägerin beim Finanzamt im Wege des sog. Direktanspruchs. die
Vorsteuer aus den Rechnungen des HC anzuerkennen. Dies lehnte das Finanzamt ab,
so dass der Fall zum Bundesfinanzhof (BFH) kam.
Entscheidung: Der BFH wies die
Klage ab:
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Zwar kann der Unternehmer einen sog. Direktanspruch gegen das
Finanzamt haben, wenn er zu Unrecht Umsatzsteuer an den Rechnungsaussteller
gezahlt hat und sein Rückforderungsanspruch gegen den Rechnungsaussteller
scheitert, insbesondere wegen dessen Zahlungsunfähigkeit. -
Voraussetzung für diesen Direktanspruch ist aber, dass der
Rechnungsaussteller auch tatsächlich eine Leistung an den Unternehmer erbracht
hat. Der Direktanspruch besteht nicht, wenn die Leistung vom
Rechnungsaussteller gar nicht erbracht worden ist. -
Im Streitfall bestand kein Direktanspruch. Denn der
Rechnungsaussteller HC hatte die in den Rechnungen genannten Leistungen
tatsächlich nicht erbracht, sondern JM.
Hinweise: Der Klägerin bleibt somit nur die zivilrechtliche
Vollstreckung gegen HC aus dem Urteil, die aber nur dann Erfolg haben wird,
falls HC eines Tages wieder zu Geld kommt.
Im Übrigen macht der BFH klar, dass es auf ein kollusives
Verhalten, also auf ein gemeinschaftliches Zusammenwirken, nicht ankommt. Der
Direktanspruch wäre also auch dann zu bejahen, wenn die Klägerin, HC und JM
zusammengewirkt hätten.
Ein Vorabentscheidungsersuchen an den Europäischen Gerichtshof
hielt der BFH nicht für erforderlich.
BFH, Urteil v. 22.8.2019 – V R 50/16; NWB