Ein bilanzierender Versicherungsvertreter muss den
		Provisionsanspruch, den er aufgrund der Vermittlung einer Versicherung vom
		Versicherungsunternehmen erhält, aktivieren, sobald der Anspruch nach dem
		Provisionsvertrag zivilrechtlich entstanden ist. Vereinbart werden kann z.B.,
		dass der Anspruch bereits mit der Vermittlung des Versicherungsvertrags oder
		aber erst nach der Zahlung einer bestimmten Anzahl von Versicherungsprämien
		durch den Versicherungsnehmer entsteht.
Hintergrund: Ist ein
		Versicherungsvertreter selbständig tätig, ist er Handelsvertreter. Er kann
		seinen Gewinn durch Bilanzierung oder aber durch Einnahmen-Überschussrechnung
		ermitteln. Bei der Bilanzierung muss er entstandene Provisionsansprüche
		gewinnerhöhend aktivieren, während es bei der Einnahmen-Überschussrechnung auf
		den Zufluss der Provision ankommt. 
Sachverhalt: Der Kläger war
		selbständiger Versicherungsvertreter, der für das Versicherungsunternehmen U
		Versicherungen vermittelte. Er ermittelte seinen Gewinn durch Bilanzierung. Der
		Inhalt des Provisionsvertrags ist von der Vorinstanz nicht festgestellt worden.
		Das Finanzamt war der Auffassung, dass der Kläger zum 31.12.2008 und zum
		31.12.2010 Provisionen in Höhe von ca. 70.000 € und in Höhe von ca.
		32.000 €, die U in einer sog. Jahresabrechnung als
		„Soll-Rückstellung“ ausgewiesen hatte, aktivieren müsse. Hiergegen
		wehrte sich der Kläger. 
Entscheidung: Der
		Bundesfinanzhof (BFH) verwies die Sache zur weiteren Sachverhaltsaufklärung an
		das Finanzgericht (FG) zurück: 
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Forderungen sind zu aktivieren, wenn sie realisiert sind. Eine 
 Realisierung ist zu bejahen, wenn die Forderung entweder
 rechtlich entstanden ist oder wenn die für
 die Entstehung wesentlichen wirtschaftlichen Ursachen im abgelaufenen
 Geschäftsjahr gesetzt worden sind und der Steuerpflichtige mit der künftigen
 Entstehung der Forderung fest rechnen kann.
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Ein Versicherungsvertreter erlangt grundsätzlich einen 
 Provisionsanspruch erst dann, wenn der Versicherungsnehmer die
 Versicherungsprämie gezahlt hat, aus der sich die Provision nach dem
 Provisionsvertrag berechnet. In diesem Fall kommt es darauf an, wie viele
 Prämienzahlungen der Versicherungsnehmer leisten muss, damit der
 Provisionsanspruch entsteht.
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Sollte die Provision nach dem Provisionsvertrag also erst mit 
 der vollständigen Zahlung der ersten Jahresprämie entstehen und muss der
 Versicherungsnehmer nach dem Versicherungsvertrag die Versicherungsprämien
 monatlich zahlen, entsteht der Provisionsanspruch erst nach Zahlung der letzten
 Monatsrate durch den Versicherungsnehmer für das erste
 Versicherungsjahr.
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Zahlt U als Versicherungsunternehmen allerdings schon vor der 
 Entstehung des Anspruchs die Provision an den Versicherungsvertreter, handelt
 es sich um einen Provisionsvorschuss. Dieser
 Provisionsvorschuss erhöht noch nicht den
 Gewinn, sondern ist als erhaltene Anzahlung gewinnneutral zu
 passivieren.
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Vereinbaren das Versicherungsunternehmen und der 
 Versicherungsvertreter hingegen, dass der Provisionsanspruch bereits mit der
 Vermittlung des Versicherungsvertrags entsteht, ist der Provisionsanspruch
 bereits in diesem Zeitpunkt zu aktivieren.
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Im Streitfall lässt sich nicht prüfen, ob und ggf. wann die 
 Provisionsansprüche des Klägers entstanden sind, weil das FG den Inhalt des
 Provisionsvertrags nicht festgestellt hat. Daher muss das FG nun den
 Sachverhalt weiter aufklären und prüfen, wann die Provisionsansprüche nach der
 getroffenen Provisionsvereinbarung entstanden sind.
Hinweise: Für die Frage der
		Aktivierung kommt es auf die Fälligkeit der Provision nicht an. Entscheidend
		ist also allein die Entstehung des Provisionsanspruchs. 
Ist der Provisionsanspruch entstanden, muss er aktiviert werden. Es
		kann allerdings sein, dass der Versicherungsvertreter nach der
		Provisionsvereinbarung noch ein Stornorisiko
		hat. Dies ist der Fall, wenn die – bereits entstandene – Provision
		ganz oder teilweise zurückzuzahlen ist, wenn der Versicherungsnehmer den
		Vertrag innerhalb eines bestimmten Zeitraums kündigt. Besteht ein solches
		Stornorisiko, kann es geboten sein, die Aktivierung des Provisionsanspruchs mit
		einem niedrigeren Wert vorzunehmen, so dass eine vollständige
		Gewinnrealisierung erst mit dem Ablauf des Stornozeitraums eintritt. Alternativ
		kann eine Rückstellung für Stornorisiken gewinnmindernd passiviert
		werden.
Quelle: BFH, Urteil vom 30.4.2025 – X R 12-13/22;
		NWB
 
					