Bei der Berücksichtigung von Unterhaltsaufwendungen für ein
studierendes Kind als außergewöhnliche Belastungen sind negative Einkünfte des
Kindes aus nichtselbständiger Arbeit nicht mit den BAFöG-Leistungen zu
verrechnen. Vielmehr mindern die BAFöG-Leistungen in voller Höhe die
abziehbaren Unterhaltsaufwendungen.
Hintergrund: Ein
Steuerpflichtiger kann Unterhaltsaufwendungen für einen unterhaltsberechtigten
Angehörigen als außergewöhnliche Belastungen absetzen. Der aktuelle
Höchstbetrag beträgt 9.984 € (im Streitjahr 2017 waren es 8.820
€). Der Höchstbetrag erhöht sich noch um bestimmte Beiträge zur Kranken-
und Pflegeversicherung. Allerdings mindern sich die abziehbaren
Unterhaltsaufwendungen zum einen um mögliche Einkünfte und Bezüge des Kindes,
soweit die Einkünfte und Bezüge höher als 624 € jährlich sind, und zum
anderen um BAFöG-Leistungen.
Streitfall: Die Kläger waren
Eltern einer 29 Jahre alten Tochter, die im Streitjahr 2017 studierte und
BAFöG-Leistungen in Höhe von 4.020 € erhielt. Außerdem bezog die Tochter
aus einem geringfügigen Arbeitsverhältnis einen Arbeitslohn von 1.830 €
und machte insoweit Werbungskosten in Höhe von 2.180 € geltend, so dass
sich negative Einkünfte in Höhe von 350 € (1.830 € abzüglich
2.180 €) ergaben. Die Kläger machten in ihrer Steuererklärung für 2017
Unterhaltsaufwendungen in Höhe des damaligen Höchstbetrags von 8.820 €
sowie in Höhe von 1.100 € aufgrund einer Übernahme von Beiträgen zur
Kranken- und Pflegeversicherung geltend. Das Finanzamt rechnete hierauf die
BAFöG-Leistungen in Höhe von 4.020 € an, die es um einen Pauschalbetrag
von 180 € auf 3.840 € kürzte. Daher berücksichtigte das Finanzamt
außergewöhnliche Belastungen nur in Höhe von 6.080 € (8.820 € +
1.100 € ./. 3.840 €). Die Kläger waren der Auffassung, dass die
negativen Einkünfte in Höhe von 350 € mit den BAFöG-Leistungen zu
verrechnen seien.
Entscheidung: Der
Bundesfinanzhof (BFH) wies die Klage ab:
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Die Unterhaltsaufwendungen der Kläger waren um die
BAFöG-Leistungen zu kürzen. Die BAFöG-Leistungen betrugen 4.020 € und
waren lediglich um einen von der Finanzverwaltung eingeräumten Kostenbetrag von
180 € auf 3.840 € zu kürzen; daher minderten sich die abziehbaren
Unterhaltsaufwendungen um 3.840 €. -
Eine weitere Kürzung der BAFöG-Leistungen um die negativen
Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit in Höhe von 350 € war nicht
vorzunehmen. Zwar können negative Einkünfte mit positiven Einkünften verrechnet
werden. Eine Verrechnung negativer Einkünfte mit BAFöG-Leistungen ist
nach dem Gesetz jedoch nicht vorgesehen. Das
Gesetz unterscheidet nämlich zwischen Einkünften und Bezügen einerseits und
Ausbildungszuschüssen andererseits. Ausbildungszuschüsse, zu denen
BAFöG-Leistungen gehören, werden uneingeschränkt auf die Unterhaltsleistungen
angerechnet (sog. Grundsatz der Vollanrechnung), also auch unterhalb der Grenze
von 624 €.
Hinweise: Die BAFöG-Leistungen
werden deshalb in vollem Umfang auf die abziehbaren Unterhaltsaufwendungen
angerechnet, weil sie ebenfalls für die Ausbildung und den Lebensunterhalt
geleistet werden.
Eine Anrechnung öffentlicher Ausbildungshilfen ist nach der
Rechtsprechung des BFH nur dann nicht gerechtfertigt, wenn sie für Maßnahmen
geleistet werden, deren Kosten die Eltern aufgrund ihrer
Unterhaltsverpflichtung nicht zu tragen hätten; die Eltern werden dann nämlich
nicht von ihrer Unterhaltspflicht entlastet. Außerdem unterbleibt eine
Anrechnung, wenn die Ausbildungsbeihilfe eine besondere Leistung des Studenten
oder Auszubildenden belohnen soll und dieser besondere Förderungszweck nicht
durch eine Anrechnung konterkariert werden soll.
Quelle: BFH, Urteil v. 8.6.2022
– VI R 45/20; NWB