Sind ein Bauunternehmer als
		leistender Unternehmer und ein Bauträger als Leistungsempfänger zu Unrecht von
		der Anwendung des sog. Reverse-Charge-Verfahrens ausgegangen, so dass der
		Bauträger die Umsatzsteuer für den Bauunternehmer abgeführt hat, kann das
		Finanzamt die Umsatzsteuer gegenüber dem Bauunternehmer festsetzen, wenn der
		Bauträger die Erstattung der zu Unrecht abgeführten Umsatzsteuer beantragt.
		Voraussetzung für die Festsetzung der Umsatzsteuer gegenüber dem Bauunternehmer
		ist lediglich, dass der Bauunternehmer einen abtretbaren Anspruch auf Zahlung
		der Umsatzsteuer, die für die Bauleistung entstanden ist, gegen den Bauträger
		hat. Es kommt nicht auf die Abtretung dieses Anspruchs an das Finanzamt an.
		
Hintergrund: Bis zu einer
		Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH) im Jahr 2013 gingen nicht nur die
		Finanzverwaltung, sondern auch Bauunternehmer und Bauträger davon aus, dass bei
		Bauleistungen eines Bauunternehmers an einen Bauträger das sog.
		Reverse-Charge-Verfahren gilt, d.h., dass die Umsatzsteuer vom Bauträger und
		damit vom Leistungsempfänger abzuführen ist. Der BFH verneinte im Jahr 2013
		aber die Anwendbarkeit des Reverse-Charge-Verfahrens und entschied, dass der
		Bauunternehmer die Umsatzsteuer hätte abführen müssen. Aufgrund dieser
		Entscheidung haben viele Bauträger die Erstattung der von ihnen zu Unrecht
		abgeführten Umsatzsteuer beantragt. Der Gesetzgeber hat daraufhin geregelt,
		dass die Finanzämter in diesem Fall die Umsatzsteuer, die auf die erbrachten
		Bauleistungen entfällt, gegenüber den Bauunternehmern festsetzen dürfen. Der
		Bauunternehmer kann die Erfüllung seiner Umsatzsteuernachzahlung dadurch
		bewirken, dass er seinen zivilrechtlichen Anspruch auf Zahlung der noch
		ausstehenden Umsatzsteuer, den er gegenüber dem Bauträger hat, an das Finanzamt
		abtritt. 
Sachverhalt: Der Kläger
		erbrachte im Jahr 2009 Bauleistungen an die Q-KG, eine Bauträgerin. Der Kläger
		und die Q-KG gingen von der Anwendbarkeit des Reverse-Charge-Verfahrens aus, so
		dass die Q-KG die Umsatzsteuer an das Finanzamt abführte. Nach dem Bauvertrag
		waren Forderungen aus dem Vertrag nur mit Zustimmung der Q-KG abtretbar.
		Nachdem der BFH die Anwendbarkeit des Reverse-Charge-Verfahrens bei
		Bauleistungen an Bauträger verneint hatte, beantragte die Q-KG im Jahr 2014 die
		Erstattung der von ihr entrichteten Umsatzsteuer. Das Finanzamt setzte
		daraufhin im Dezember 2014 die Umsatzsteuer aus den Bauleistungen gegenüber dem
		Kläger fest. Der Kläger legte hiergegen Einspruch ein. Im Dezember 2020 stellte
		der Kläger der Q-KG Rechnungen mit gesondertem Umsatzsteuerausweis aus und bot
		dem Finanzamt die Abtretung des Umsatzsteueranspruchs an. Das Finanzamt lehnte
		die Abtretung ab.
Entscheidung: Der BFH
		wies die hiergegen gerichtete Klage ab: 
- 
Das Finanzamt durfte die
Umsatzsteuer gegenüber dem Kläger festsetzen, da der Bauträger die Erstattung
der Umsatzsteuer beantragt und der Kläger als Bauunternehmer einen abtretbaren
Anspruch auf Zahlung der Umsatzsteuer hatte. Die nachträgliche Festsetzung der
Umsatzsteuer gegenüber dem Bauunternehmer ist nach der Rechtsprechung des BFH
nämlich nur dann gerechtfertigt, wenn er zivilrechtlich vom Bauträger noch die
Bezahlung der Umsatzsteuer verlangen kann. - 
Diese Voraussetzungen lagen im
Streitfall vor. Die Q-KG hatte bei ihrem Finanzamt die Erstattung der
Umsatzsteuer verlangt. Und der Kläger verfügte im Jahr 2014 über einen
zivilrechtlichen Anspruch auf Bezahlung der noch nicht an ihn gezahlten
Umsatzsteuer gegen die Q-KG. - 
Zwar war eine Abtretung
vertraglich ausgeschlossen worden. Dieser Ausschluss war aber unter Kaufleuten
nach den handelsrechtlichen Regeln unwirksam. - 
Die Festsetzung der
Umsatzsteuer gegenüber dem Kläger setzt nicht voraus, dass der Kläger seinen
Anspruch gegen die Q-KG tatsächlich an das Finanzamt abtritt. Es ist daher für
die Festsetzung der Umsatzsteuer im Jahr 2014 unbeachtlich, dass das Finanzamt
das Abtretungsangebot des Klägers abgelehnt hat und ob der Anspruch des Klägers
gegen die Q-KG auf Zahlung der Umsatzsteuer im Jahr 2020 bereits verjährt war. 
Hinweise: Wenn das
		Finanzamt die Abtretung nicht akzeptiert, muss der Kläger die ihm gegenüber
		festgesetzte Umsatzsteuer bezahlen. Allerdings ist er nicht
		rechtschutzlos gestellt. Er kann sich gegen die Ablehnung
		seines Abtretungsangebots wehren, allerdings nicht im Einspruchs- und
		Klageverfahren gegen die Umsatzsteuerfestsetzung, sondern in einem gesonderten
		Verfahren. 
Grundsätzlich ist ein
		Steuerpflichtiger vor einer nachteiligen Änderung seiner Steuerfestsetzung
		geschützt, wenn diese Änderung auf eine geänderte BFH-Rechtsprechung gestützt
		wird oder wenn – wie im Streitfall – eine Verwaltungsvorschrift vom
		BFH als rechtswidrig eingestuft wird. Eben diesen Vertrauensschutz hat der
		Gesetzgeber aber aufgehoben. Der BFH akzeptiert diese Aufhebung des
		Vertrauensschutzes nur unter der Bedingung, dass der Bauunternehmer einen
		abtretbaren Anspruch auf Zahlung der Umsatzsteuer gegen den Bauträger hat.
		
Quelle: BFH, Urteil vom 31.1.2024 –
		V R 24/21; NWB
					