Genussrechtsausschüttungen sind für eine Kapitalgesellschaft nur
dann zu 95 % steuerfrei, wenn die Kapitalgesellschaft sowohl am Gewinn als
auch am Liquidationserlös beteiligt ist. Die Beteiligung am Liquidationserlös
setzt voraus, dass der Genussrechtsinhaber an den stillen Reserven beteiligt
ist; es genügt nicht, dass die Genussrechtsausschüttungen gewinnabhängig sind,
dass das Genussrecht eine lange Laufzeit hat, dass der Genussrechtsinhaber
Alleingesellschafter ist oder dass der Genussrechtsinhaber seine Genussrechte
in Anteile umwandeln kann.
Hintergrund: Zu den Einkünften
aus Kapitalvermögen gehören u. a. sowohl Zinsen als auch
Genussrechtsausschüttungen. Erhält aber eine Kapitalgesellschaft
Genussrechtsausschüttungen, sind diese für die Kapitalgesellschaft zu 95 %
steuerfrei, wenn die Kapitalgesellschaft sowohl am Gewinn als auch am
Liquidationserlös beteiligt ist. Zinseinnahmen wären für die
Kapitalgesellschaft hingegen steuerpflichtig.
Sachverhalt: Die Klägerin war
eine AG, die u.a. seit 2003 Genussrechte an einer kanadischen
Tochtergesellschaft (X) hielt. Die Genussrechte hatten eine Laufzeit von 40
Jahren. Die Genussrechtsausschüttung sollte in Höhe von mindestens 4 % des
Nettogewinns der X, maximal 16 %, erfolgen. Die Klägerin sollte das Recht
haben, statt der Rückzahlung ihres Genussrechtskapitals Aktien an der X zu
verlangen (Wandlungsrecht). Die Genussrechte waren nachrangig, mussten also
erst bedient werden, wenn die anderen Gläubiger der X ihr Geld erhalten hatten.
Die Klägerin behandelte die Ausschüttungen der X als zu 95 % steuerfreie
Beteiligungserträge. In Kanada konnte die X die Ausschüttungen wie Zinsaufwand
als Betriebsausgaben abziehen; allerdings wurde eine kanadische Quellensteuer
von 10 % einbehalten. Das deutsche Finanzamt behandelte die
Genussrechtsausschüttungen als steuerpflichtige Zinsen.
Entscheidung: Der
Bundesfinanzhof (BFH) sah in den Genussrechtsausschüttungen steuerpflichtige
Zinsen und wies die Klage im Grundsatz zurück:
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Nach dem Gesetzeswortlaut muss der Inhaber der Genussrechte
sowohl am Gewinn als auch am Liquidationserlös beteiligt sein. Beide
Voraussetzungen müssen erfüllt sein. -
Die Klägerin war nicht am Liquidationserlös beteiligt; denn
hierzu fehlte eine entsprechende Vereinbarung. Weder die Vereinbarung über die
Nachrangigkeit des Genussrechts noch die gewinnabhängige Vergütung begründen
eine Beteiligung am Liquidationserlös. Zwar wird die Klägerin aufgrund der
gewinnabhängigen Vergütung an denjenigen stillen Reserven beteiligt, die im
laufenden Geschäftsverkehr der X aufgedeckt werden; dies genügte nach dem
Gesetzeswortlaut aber nicht, weil die Klägerin nur einen Anspruch auf
Rückzahlung des Genussrechtskapitals in Höhe des Nennbetrags hatte. -
Es genügte auch nicht, dass die Klägerin
Alleingesellschafterin der X war. Zwar stehen einem Alleingesellschafter
ohnehin alle stillen Reserven zu. Das Gesetz verlangt aber, dass der Anspruch
auf die Beteiligung an den stillen Reserven, d.h. am Liquidationserlös, aus der
Genussrechtsvereinbarung folgen muss. -
Auch die lange Laufzeit von 40 Jahren sprach nicht für
steuerfreie Genussrechtsvergütungen. Zwar vertritt die Finanzverwaltung die
Auffassung, dass das Genussrechtskapital bei einer Laufzeit von mindestens 30
Jahren wirtschaftlich bedeutungslos wird. Nach dem Gesetz kommt es aber nicht
auf die wirtschaftliche Bedeutung, sondern auf die Beteiligung am
Liquidationserlös an. -
Schließlich ist auch das Wandlungsrecht der Klägerin ohne
Bedeutung für die Abgrenzung zwischen Genussrechtsvergütungen und Zinsen. Erst
mit der Ausübung des Wandlungsrechts würde die Klägerin Anteilseignerin der X
werden und würde dann zu 95 % steuerfreie Dividenden erhalten. Bis zur
Ausübung des Wandlungsrechts besteht keine Beteiligung an den stillen Reserven.
Hinweise: Es handelte sich damit
um Zinsen, die nach dem deutsch-kanadischen Doppelbesteuerungsabkommen in
Deutschland zu versteuern waren. Der BFH hat die Sache wegen eines weiteren
Streitpunkts an das Finanzgericht zurückverwiesen.
Zu beachten ist, dass Genussrechte auch an ausländischen
Kapitalgesellschaften begründet werden können.
In einem weiteren Streitpunkt des Falls macht der BFH deutlich,
dass es steuerlich keinen Gestaltungsmissbrauch darstellt, wenn ein
Steuerpflichtiger Kapitaleinkünfte nicht selbst erzielt, sondern eine
Kapitalgesellschaft zwischenschaltet, an der er beteiligt ist und die dann zu
95 % steuerfreie Dividenden oder Genussrechtsausschüttungen bezieht.
BFH, Urteil v. 14.8.2019 – I R 44/17; NWB