Erhält ein Nießbrauchsberechtigter von GmbH-Anteilen, die zum
Privatvermögen gehören, eine Abfindung für die Aufhebung des Nießbrauchs, ist
dies für den Nießbrauchsberechtigten nur dann steuerbar, wenn er
wirtschaftlicher Eigentümer der GmbH-Anteile war. Wirtschaftlicher Eigentümer
ist er dann, wenn ihm neben dem Gewinnbezugsrecht auch die sog.
Mitverwaltungsrechte wie z.B. das Stimmrecht zustehen.

Hintergrund: Bei einem
Vorbehaltsnießbrauch überträgt der bisherige Eigentümer das Eigentum auf einen
anderen und behält sich das Nießbrauchsrecht vor, so dass ihm weiterhin die
Erträge zustehen, während der neue Eigentümer keine Erträge erhält. In der
Regel wird der Vorbehaltsnießbrauch bei Schenkungen an nahe Angehörige,
insbesondere Übertragungen im Rahmen der vorweggenommenen Erbfolge,
eingesetzt.

Sachverhalt: Die Klägerin war an
der Z-GmbH beteiligt. Sie übertrug im Jahr 2012 ihre Beteiligung unentgeltlich
auf ihren Sohn im Wege der vorweggenommenen Erbfolge. Dabei behielt sie sich
den Nießbrauch an der Beteiligung vor; allerdings stand ihr nach dem Nießbrauch
nur das Gewinnbezugsrecht zu, nicht jedoch auch das Stimmrecht. Im Jahr 2018
wollte der Sohn die Beteiligung veräußern, und zwar ohne Belastung mit dem
Nießbrauchsrecht der Klägerin. Daher hoben der Sohn und die Klägerin das
Nießbrauchsrecht gegen Zahlung einer Abfindung an die Klägerin auf. Das
Finanzamt erfasste die Abfindung als nachträgliche Einkünfte aus dem Verkauf
einer wesentlichen Beteiligung.

Entscheidung: Der
Bundesfinanzhof (BFH) verneinte die Steuerbarkeit der Abfindung und gab der
Klage statt:

  • Bei der Abfindung handelte es sich nicht um eine Entschädigung
    für entgangene Kapitaleinnahmen, d.h. für Dividenden. Zwar sind nach dem Gesetz
    Entschädigungen steuerpflichtig, wenn sie als Ersatz für entgangene oder
    entgehende Einnahmen gezahlt werden. Dies setzt aber voraus, dass die
    entgangenen oder entgehenden Einnahmen steuerpflichtig gewesen wären.

  • Dies war im Streitfall zu verneinen. Die Klägerin musste die
    Dividenden seit 2012 nicht mehr versteuern, da die Dividenden ihrem Sohn als
    Anteilseigner zuzurechnen waren. Dem Nießbrauchsberechtigten von GmbH-Anteilen
    sind Dividenden nur dann steuerlich zuzurechnen, wenn er neben dem
    Gewinnbezugsrecht auch die Mitverwaltungsrechte wie z.B. das Stimmrecht
    innehat. Denn nur dann kann der Nießbrauchsberechtigte entscheidenden Einfluss
    auf die Geschicke der GmbH nehmen, so dass er einem zivilrechtlichen
    Gesellschafter gleichsteht.

  • Der Klägerin standen die Mitverwaltungsrechte aber nicht zu,
    sondern nur das Gewinnbezugsrecht. Damit waren die Dividenden seit 2012 dem
    Sohn zuzurechnen, so dass die Abfindung keine Entschädigung für von der
    Klägerin zu versteuernde Dividenden sein konnte.

  • Die Abfindung führte auch nicht zu nachträglichen Einkünften
    aus Gewerbebetrieb. Zwar wird der Verkauf von GmbH-Anteilen bei einer
    Beteiligungsquote von mindestens 1 % als Einkünfte aus Gewerbebetrieb
    behandelt. Im Jahr 2018, als die Abfindung gezahlt wurde, konnte die Klägerin
    aber weder das zivilrechtliche noch das wirtschaftliche Eigentum an den
    Anteilen der Z-GmbH auf ihren Sohn übertragen. Denn der Sohn hatte bereits im
    Jahr 2012 das zivilrechtliche und wirtschaftliche Eigentum erhalten. Die
    Klägerin hatte im Jahr 2018 nicht mehr das wirtschaftliche Eigentum an den
    Anteilen, da sie keine Mitverwaltungsrechte hatte.

Hinweise: Der BFH erkennt einen
Vorbehaltsnießbrauch an GmbH-Anteilen steuerlich nur dann an, wenn der
Nießbrauchsberechtigte neben dem Gewinnbezugsrecht auch die
Mitverwaltungsrechte wie das Stimmrecht erhält; in diesem Fall muss der
Nießbrauchsberechtigte die Dividenden versteuern, so dass auch eine spätere
Abfindung steuerpflichtig wäre.

Beschränkt sich der Nießbrauch jedoch nur auf das
Gewinnbezugsrecht, sind die Dividenden vom Anteilseigner – und nicht vom
Nießbrauchsberechtigten – zu versteuern. Eine Abfindung ist dann nicht
steuerbar.

Quelle: BFH, Urteil v. 20.9.2024 – IX R 5/24; NWB

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