Wird eine Rücklage, mit der ein Veräußerungsgewinn aus dem Verkauf
einer Immobilie neutralisiert worden ist, zu Unrecht gebildet und ist der
Steuerbescheid für das Jahr der Bildung bestandskräftig, ist die fehlerhaft
gebildete Rücklage in dem ersten Folgejahr, das verfahrensrechtlich noch offen
ist, gewinnerhöhend aufzulösen.

Hintergrund: Ein Gewinn aus der
Veräußerung einer betrieblichen Immobilie, die zu einer inländischen
Betriebsstätte gehört, kann durch eine Rücklage neutralisiert werden, die
grundsätzlich innerhalb von vier Jahren auf ein neues Wirtschaftsgut (Immobilie
oder Schiff) übertragen werden muss (sog. Reinvestition). Die Rücklage mindert
dann die Bemessungsgrundlage für die Abschreibungen auf das neue
Wirtschaftsgut. Unterbleibt eine Reinvestition, muss die Rücklage
gewinnerhöhend aufgelöst werden und wird um einen sog. Gewinnzuschlag von 6 %
des Rücklagenbetrags jährlich erhöht.

Sachverhalt: Klägerin war eine
GmbH, die im Jahr 2002 ihren Immobilienbestand mit Gewinn veräußerte. Sie
stellte den Gewinn in ihrer Steuerbilanz zum 31.12.2022 in eine Rücklage ein,
um den Gewinn zu neutralisieren und auf eine neue Immobilie zu übertragen. Die
Körperschaftsteuerfestsetzung für 2002 wurde bestandskräftig. Es kam zu einer
Außenprüfung für 2002 und die Folgejahre. Der Außenprüfer war der Auffassung,
dass die Rücklage im Jahr 2002 nicht hätte gebildet werden dürfen, weil die
Klägerin seit dem Jahr 2000 keine Betriebsstätte mehr im Inland gehabt habe.
Der Prüfer löste die Rücklage daher zum 31.12.2003 auf; die Steuerfestsetzung
für 2003 war – im Gegensatz zur Steuerfestsetzung für 2002 – noch
änderbar.

Entscheidung: Der
Bundesfinanzhof (BFH) hielt die Auflösung der Rücklage zum 31.12.2003 für
möglich, wies die Sache aber an das Finanzgericht zur weiteren Aufklärung
zurück:

  • Das Finanzamt durfte eine fehlerhaft gebildete Rücklage zum
    31.12.2003 gewinnerhöhend auflösen. Dies ergibt sich aus den Grundsätzen des
    sog. formellen Bilanzenzusammenhangs. Danach ist ein Bilanzierungsfehler zwar
    grundsätzlich vorrangig in dem Jahr, in dem der Fehler geschehen ist, zu
    korrigieren. Ist der Steuerbescheid für dieses Jahr aber bereits
    bestandskräftig, ist der Fehler in der Schlussbilanz des ersten Folgejahres,
    für das der Steuerbescheid noch geändert werden kann, zu korrigieren.

  • Diese Grundsätze gelten auch bei einer
    Rücklage, in die ein Gewinn aus der Veräußerung der Immobilie eingestellt
    worden ist.
    Zwar bildet die Rücklage Eigenkapital ab, das an
    sich nur einen Saldo in der Bilanz darstellt. Dennoch ist für die Rücklage in
    der Steuerbilanz ein eigenständiger Passivposten auszuweisen, so dass für
    diesen Passivposten die gleichen Grundsätze gelten wie für die Bilanzposten der
    anderen Wirtschaftsgüter.

  • Da die Steuerfestsetzung für das Jahr 2002, in dem der Fehler
    nach Angaben des Außenprüfers passiert war, bereits materiell bestandskräftig
    war und nicht mehr geändert werden konnte, musste der Fehler in dem ersten
    Jahr, das verfahrensrechtlich noch offen war, korrigiert werden. Dies war das
    Jahr 2003, so dass die Rücklage an sich zum 31.12.2003 gewinnerhöhend aufgelöst
    werden konnte.

Hinweise: Der BFH hat die Sache
an das Finanzgericht zurückverwiesen, weil noch zu prüfen ist, ob die Bildung
der Rücklage zum 31.12.2002 wirklich fehlerhaft war. Dies wäre der Fall, wenn
die Klägerin seit dem Jahr 2000 keine Betriebsstätte mehr im Inland gehabt
hätte. Sollte die Rücklage im Jahr 2002 aber zu Recht gebildet worden sein,
hätte die Klage Erfolg, weil dann das Finanzamt die Rücklage nicht zum
31.12.2003 auflösen dürfte.

Quelle: BFH, Urteil vom 2.7.2025 – XI R 27/22; NWB

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