Für die private Nutzung eines betrieblichen Pkw spricht ein
Anscheinsbeweis, der erschüttert werden kann. Um den Anscheinsbeweis zu
erschüttern, kann der Unternehmer u.a. ein auch nicht ordnungsgemäßes
Fahrtenbuch vorlegen, aus dem sich die fehlende private Nutzung des
betrieblichen Pkw ergibt.
Hintergrund: Die Privatnutzung
eines betrieblichen Fahrzeugs ist als Entnahme zu versteuern. Wird kein
Fahrtenbuch geführt, wird die Entnahme mit monatlich 1 % des
Bruttolistenpreises des Fahrzeugs (zuzüglich der Kosten für die
Sonderausstattung und einschließlich Umsatzsteuer) bewertet.
Betriebsausgaben sind nicht abziehbar, soweit sie nach allgemeiner
Verkehrsauffassung als unangemessen anzusehen sind.
Sachverhalt: Der Kläger war
freiberuflich als Sachverständiger tätig. Er leaste ab 2010 einen BMW 740d,
dessen Grundpreis im Leasingvertrag mit ca. 90.000 € angegeben war, und
ab 2012 einen Lamborghini, dessen Grundpreis im Leasingvertrag mit ca. 280.000
€ angegeben war. Er machte die Leasingraten als Betriebsausgaben geltend
und erfasste keine Entnahmen für eine Privatnutzung der Fahrzeuge. Zu seinem
Privatvermögen gehörten ein Ferrari 360 Modena Spider sowie ein Jeep Commander.
Das Finanzamt kürzte den Abzug der Betriebsausgaben für den Lamborghini wegen
Unangemessenheit im Umfang von 2/3. Ferner ging das Finanzamt von einer
Privatnutzung beider betrieblichen Fahrzeuge aus setzte jeweils eine Entnahme
nach der sog. 1 %-Methode an. Der Kläger machte geltend, dass er beide
Fahrzeuge privat nicht genutzt habe und legte ein Fahrtenbuch vor, das jedoch
teilweise unvollständig und unlesbar und nach Auffassung des Finanzamts nicht
zeitnah geführt worden war.
Entscheidung: Der
Bundesfinanzhof (BFH) verwies die Sache zur weiteren Aufklärung an das
Finanzgericht (FG) zurück:
-
Grundsätzlich spricht ein Anscheinsbeweis dafür, dass ein
betrieblicher Pkw auch privat genutzt wird. Der Unternehmer kann diesen
Anscheinsbeweis dadurch erschüttern, dass er einen Sachverhalt darlegt, aus dem
sich die ernsthafte Möglichkeit eines anderen Geschehens
ergibt. -
Ein derartiger Sachverhalt liegt z.B. vor, wenn der
Unternehmer auf ein mindestens gleichwertiges Fahrzeug im
Privatvermögen uneingeschränkt zugreifen kann. Ob die
Fahrzeuge gleichwertig sind, hängt insbesondere von der Motorleistung, dem
Hubraum, der Höchstgeschwindigkeit, der Ausstattung, der Fahrleistung und dem
Prestige ab. -
Der Anscheinsbeweis kann aber auch durch ein
Fahrtenbuch erschüttert werden, aus dem sich
ergibt, dass keine Privatfahrten mit dem betrieblichen Fahrzeug unternommen
worden sind. Dieses Fahrtenbuch muss für Zwecke der Erschütterung des
Anscheinsbeweises nicht zwingend ordnungsgemäß sein. Zwar ist ein
ordnungsgemäßes Fahrtenbuch für die Bewertung der Entnahme erforderlich, wenn
statt der sog. 1 %-Methode die Fahrtenbuchmethode angewendet werden soll. Im
Streitfall geht es aber nicht um die Bewertung der Entnahme, sondern um die
Frage, ob überhaupt eine Privatnutzung stattgefunden hat; insoweit kann auch
ein unvollständiges Fahrtenbuch geeignet sein, den Anscheinsbeweis zu
erschüttern.
Hinweise: Das FG muss nun im
weiteren Verfahrensverlauf das nicht ordnungsgemäße Fahrtenbuch würdigen und
zudem prüfen, ob der Kläger über mindestens gleichwertige Privatfahrzeuge
verfügte.
Ferner wird das FG die Unangemessenheit der Aufwendungen für den
Lamborghini prüfen müssen. Kriterien für die Unangemessenheit sind insbesondere
die Größe des Unternehmens, die Höhe des längerfristig erzielbaren Umsatzes und
Gewinns, die Bedeutung des Repräsentationsaufwands für den Geschäftserfolg und
seine Üblichkeit in vergleichbaren Betrieben. Außerdem kommt es darauf an, ob
und inwieweit durch die Nutzung des Lamborghini die private Lebenssphäre des
Klägers berührt wird. Der Kläger hatte im bisherigen Verfahren geltend gemacht,
dass er den Lamborghini mit einer Werbefolie beklebt und gezielt für bestimmte
Kundenbesuche eingesetzt habe.
Quelle: BFH, Urteil vom 22.10.2024 – VIII R 12/21;
NWB